Das Althochdeutsch war die Sprache der Klöster. Damit beginnt aber auch die schriftliche Fixierung volkssprachlicher Texte. Eine wichtige Quelle für das Althochdeutsche ist die Benediktinerregel, entstanden in St. Gallen zwischen Ende des 8. und dem Beginn des 9. Jahrhunderts. Anhand der Benediktinerregeln lassen sich auch die sprachlichen Merkmale des Althochdeutschen aufzeigen.
Die lateinisch-althochdeutsche Benediktinerregeln
- Entstehungsort: St. Gallen
- Entstehungszeit: Ende 8. bis Beginn 9. Jhd
- Beschreibstoff: Pergament
- Umfang: 172 Seiten
- Format: 19,5 x 12,5 (ca. DIN A5)
Die Benediktinerregeln sind ziemlich „unscheinbar“ und abgegriffen. Das Aussehen der Handschrift gibt auch Auskunft über den Zweck der Handschrift: beispielsweise zeigt der Pergamentrest, der geflickt und gestopft ist, dass diese Handschrift für den „Alltag“ gedacht ist.
Abrogans beispielsweise ist winzig und unscheinbar, daneben gibt es aber auch große Bücher mit Gold verziert für den Altar.
Zweck: in den alemannischen Klöstern zB Reichenau am Bodensee, bemühten sich die Brüder den Benediktinerschülern die Regeln näher zu bringen. Viele Wörter wurden damals neu geschaffen, da es für viele lateinische Begriffe keine deutsche Entsprechung gab: Schulmeister begannen die ganze Regel zu übersetzen, nicht als einheitlicher Text, sondern über die lateinischen Wörter wurden die volkssprachlichen Entsprechungen geschrieben. Zu diesem Zweck hat er sich eine Handschrift von der Benediktinerregel anfertigen lassen, in einem zweizeiligen Text, damit Platz für die volkssprachlichen Entsprechungen war. Die Schüler legten sich Vokabellisten an, die zum Teil erhalten sind (aus dem 9. Jhd.).
Sprachliche Neuerungen und Besonderheiten des Althochdeutsch
Das Althochdeutsch ist keine Einheitssprache im heutigen Sinne, eine schriftliche Wiedergabe war nicht einheitlich, es war alles mundartlich differenziert. Das Lautsystem war noch nicht einheitlich. Jedoch gab es auch gemeinsame Merkmale (im Konsonantismus und Vokalismus) zur Abhebung vom Gemeingermanischen und vom Altniederdeutschen.
Phonologie – lautliche Merkmale
Konsonantismus:
- Dazu zählen die erste und zweite Lautverschiebung
- Grammatische Wechsel (f/b, d/t, h/g, s/r)
Vokalismus:
- althochdeutsche Monophthongierung: Das r, h und w werden zu ai (wie ein geschlossenes, langes e gesprochen. Das h und alle Dentale werden zu au (wie ein o gesprochen). z. B.: got. maiza – ahd. me?ro ‚mehr‘ oder got. laus – ahd. lo?s ‚befreit
- althochdeutsche Diphthongierung geht vom Norden aus, Richtung Süden: germ. e? > ea, ia (spa?tahd > ie); germ. o? > uo (8./9. Jahrhundert) z.B: got. he?r – as. he?r – ahd. hiar, hier ‚hier‘; got. fo?tus – as.fo?t – ahd. fuoz ‚Fuß‘
- i-Umlaut: a wird zu e umgelautet, wenn ein i oder j in der Folgesilbe steht: ahd. gast (Sg.) – gesti (Pl.); ahd. lamb (Sg.) – lembir (Pl.); ahd. lang (Pos.) – lengiro (Komp.)
Satzbau:
- Einflüsse des Lateinischen: finden sich oft noch im Tatian: zB Erinnerung an Ablativus Absolutus
- Ausbau des analytischen Sprachbaus
Wortschatz:
Der Wortschatz verändert sich gravierend.
- Präfigierungen: Das Althochdeutsch besteht aus voll klingenden Vokalen: ana-, bi-, er-, fir-, ga-, gi-, int-, widar-, zi-, …
- Suffigierungen (Anhängung eines Morphems an das hintere Ende eines anderen): –unga, -nissi, -o?t,- ida, -a?ri (>lat. –arius)
- Christianisierung des Wortschatzes
Die zweite (hochdeutsche) Lautverschiebung
Die zweite Lautverschiebung ist am deutlichsten sichtbar. Im 6./7. Jhd. n. Chr. beginnen die Zeichen für eine beginnende Auseinanderentwicklung der einzelnen germanischen Sprachen. Verkehrsgrenzen zw. verschiedenen Stämmen und Ländern werden zu Sprachgrenzen. Die Gebiete verschieben sich durch die Völkerwanderung nach Westen und Süden, dieses große Gebiet der Germanen konnte nicht länger ein einheitlicher Sprachraum bleiben. Bei den am weitesten südlichen Stämmen: Bayern, Langobarden, Alemannen kommt es zum Lautwandel, der zur einer Absonderung des Hochdeutschen von den übrigen westgermanischen Dialekten und für das Niederdeutsche entscheidend war -> Zweite Lautverschiebung. Sie setzte vermutlich schon um 500 n. Chr. ein, vermutlich im alten Gebiet, wo sie auch am konsequentesten durchgeführt wurde und verbreitet sich von dort langsam Richtung Norden.
Je nachdem wie weit die Lautverschiebung vollzogen ist, lässt sich das Deutsche in zwei Großgebiete aufteilen in
- das Oberdeutsche (olivgrün): alemanisch, bayrisch, oberfränkisch: Gebiete mit kompletter Lautverschiebung: im Süden (olivgrün)
- das Mitteldeutsche, verschiedene Dialekte, die sich vor allem in der unterschiedlichen Ausprägung der Lautverschiebung unterscheiden (türkis)
- Ganz oben im Norden: das Niederdeutsche, keine Lautverschiebung
Isoglossen: sind die Grenzen zwischen diesen Sprachräumen, die sich weiter nach Norden verschieben (bis heute).
Zwei Isoglossen: Grenzen zw. den Bereichen: zB Benrather Linie oder „Maken-Machen“-Linie: zwischen dem Niederdeutsch und dem Hochdeutschen (zw. türkis und gelb)
Speyrer Linie oder Germersheimer Linie trennt das Mitteldeutsche vom Oberdeutschen (zw. türkis und olivgrün)
Bedeutung der zweiten (hochdeutschen) Lautverschiebung
- Abgrenzung vom Ahd. zum Germanischen
- Abgrenzung vom Ahd. zum Altsächsischen und allen anderen „unverschobenen“ Sprachen
- Binnendifferenzierung der heutigen deutschen Dialekte
Vermutlicher Vollzug der Lautverschiebung
Man vermutet, dass die Lautverschiebung bei den Bayern und den Alemannen (von Oberdeutschland) begann und sich in Wellen nach Norden ausbreitete und langsam verebbte. (Diese Theorie wird von Theodor Frings oder Masser so gesehen). Man spricht von der sogenenannten Monogenetischen Entwicklung. Für diese Theorie sprechen Graphien in der historischen Schriftlichkeit oder der Lautstand der heutigen Dialekte.
Räumliche Ausbreitung der zweiten Lautverschiebung
Eine andere Theorie geht von mehreren Ursprungsorten für die Lautverschiebung aus. Diese Lautverschiebungen begannen geographisch unabhängig zur gleichen Zeit: neben dem Alpenraum auch im Rheinland. (zB Rudolf Schützeichel). Man spricht von Polygenetischer Entwicklung. Für diese Theorie sprechen frühe Lautverschiebungsgraphien in der mitteldeutschen Schriftlichkeit aus dem 7. Jahrhundert.
Beide Theorien sind heute noch gültig.
Gründe für die zweite Lautverschiebung
Über die Ursachen der zweiten Lautverschiebung herrscht keine Einigkeit, auch wenn es verschiedene Thesen für die Gründe der Lautverschiebung gibt.
Thesen aus dem 19. Jahrhundert:
- kriegerische Volksseele der südgermanischen Stämme will sich auflehnen
- das Vordringen der südgermanischen Stämme in die dünnere Voralpenluft: durch das Steigen auf den Bergen, muss man lauter schnaufen -> Schnauftheorie (das p wird zu ph, pf und f
- durch den Kontakt germanischer Stämme mit anderen Sprachen (Substrattheorie)
Die Veränderungen in der Lautverschiebung:
Verschiebungen sind abhängig von der Position im Wort. Dies führt zur Trennung des Altsächsischen vom Althochdeutschen. Durch die Lautverschiebung wurde aus den südlichen Westgermanischen Dialekten die althochdeutsche Sprache: Die Trennung läuft von West nach Ost und wird als Benratherlinie bezeichnet.
Vom synthetischen zum analythischen Satzbau
Sprachen werden nach der Art ihrer Wortbeugung (Morphologie) unterschieden. Es gibt synthetischen und analytischen Satzbau. Bei analytischen Sprachen kommt es kaum zu morphologischen Veränderungen. Bei synthetischen Sprachen verschmelzen Wortstämme mit Hilfselementen. Dadurch wird eine grammatische Beziehung ausgedrückt.
Im Althochdeutschen kommt es zur Entwicklung eines analythischen Satzbaus:
- Entstehung des Artikels (der, die, das finden sich im Tatian), jedoch wird dies nicht konsequent durchgeführt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Verwendung der Artikel erst langsam entsteht.
- Subjektpronomen: ich, du er sie … war im Lat. im Verb enthalten. Im althochdeutschen Tatian kommen sie zu 90% im Vergleich zum lateinischen Sprachbau vor. Ein Grund dafür könnte die Endsilbenabschwächung sein.
- Ablativus Instrumentalis verschwindet und wird mit „mit, durch, von“ gebildet; auch diese Entwicklung kommt allmählich
Entwicklung des Wortschatzes (Lexik)
Voraussetzung für den Beginn der Sprachkultur brachte auch eine geistige – christliche – Umwälzung. Man wollte sich sprachlich mit der Latinität auseinanderzusetzen.
Der Wortschatz wird das Mittel, eine neue Umwelt zu bewältigen: das Bisherige Wortmaterial ist dafür nicht ausreichend. Klöster waren Träger der Zeit und ihre Aufgabe war es, alle Riten und Wertvorstellungen des Christentums in einer Sprache der Heiden auszudrücken. Es brauchte einen ganz neuen Wortschatz, der erst geschaffen werden musste.
Mit Mitteln der einheimischen Volkssprache mussten auch die abstrakten, christlichen Begriffe in der heidnischen Sprache ausgedrückt werden.
Das Latein gilt daher als Gebersprache und das Deutsche als Nehmersprache.
- Direkte Entlehnung: diese ist in althochdeutscher Zeit allerdings nicht wirklich allzu groß und beschränken sich auf äußerliche Sachbereiche des kirchlichen Lebens, kirchliche Einrichtungen, Gottesdienst, Klosterwesen, Schule. Mit diesen Sachen wurden auch die Bezeichnungen aus dem Lat. übernommen
- : zB Papst, Kaplan, Pilger, Kreuz, Messe, Zelle, Predigt. Die Klöster vermittelten die Lateinische Schriftkultur: Schüler, schreiben, Tinte, Pergament, Griffel, Brief, etc.In den Klostergärten gab es Pflanzen: Petersilie, Zwiebel, Salbei (von Lat. salvus – gesund), Lavendel (Lavendula, ins Wasser zum Waschen, lavare)
- Koch und Backkunst: Brezel: vom vulgärlateinischen Wort bracitellum wird zu Latein: bracitum: verschränke Arme,
- Butter,
- Schwieriger war die Übersetzung von abstrakten Begriffen: fluitas, msericordia: wird zu barmherzig, spiritus sanctus: es gibt mindestens 10 althochdeutsche Übersetzungsversuche belegt
Neben dieser Gewinnseite gibt es auch eine große Verlustseite: viele Wörter sind verloren gegangen.
Zusammenfassung
- das Althochdeutsch unterscheidet sich durch die zweite Lautverschiebung vom Germanischen und Altsächsischen.
- Das Althochdeutsche hat in der Endung starke und volle Vokale -> es kommt zur Endsilbenabschwächung
- analytischer Sprachbau,
- zwei Tempora
- Wortstellung ist frei
- keine geregelte Orthographie
Gibt es eine Karolingische Hofsprache?
Bildungspolitik von Karl dem Großen: Man spricht von Karolingischer Renaissance
Einhard: Er ließ eine Grammatica in Volkssprache entwickeln, die leider verloren gegangen ist.
Es kam zu einer staatliche Sprachregelung. Man stellt sich daher die Frage, ob sich diese Beeinflussung des Althochdeutschen durch das Karolingerhaus in der Sprache wieder spiegelt. Jedoch gibt es keine eigene Hofsprache, denn die Sprache damals war trotz allem nicht einheitlich, es gibt nur gemeinsprachliche Tendenzen. In den Klöstern der Zeit wurde nicht unbedingt die Mundart der Umgebung gesprochen, es gab einen Austausch der verschiedenen Mundarten in den Klöstern. Von Bedeutung waren die einzelnen Schreiborte.
Klöster waren die Zentren der Bildung
- Bischofsitz Trier im Mittelfränkischen
- Kloster Fulda
- Würzburg in Ostfranken
- Mainz, Lorsch, Worms, Speyer,
- Weißenburg in Bayern
- Klöster St. Gallen und Murbach
- Bischofssitze: Salzburg, Regensburg
Das war von Bedeutung. Es gibt Überlieferungen in 6 regionalen Schreibdialekten.
Die Stiftsbibliothek St. Gallen gilt als UNESCO Weltkulturerbe. Hier finden sich u.a. Abrogans, Tatian, Nibelungenhandschrift B, Benediktinerregel, Parzival, Willehalm, Neumenhandschriften mit dem gregorianischen Choral.
Woher kommt das Wort „Deutsch“?
Im heutigen deutschen Sprachraum gab es im frühen Mittelalter nur die Sprachen der einzelnen Stammesverbände. Untereinander verstanden sie sich nicht, es gab keine gemeinsame Verständigungssprache. Wissenschaft und Kirche hatten aber Latein. Von dem her ist das Althochdeutsch als Einheitssprache falsch. Dies vermittelt ein falsches Bild.
Sachsen, Alemannen, Bayern, Franken, etc. hatten alle eigene Dialekte
Seit Clodwig waren die Franken auch kulturell am wichtigsten, mit dem Frankenreich entstand eine Verkehrsgemeinschaft, aber immer noch wurde keine gemeinsame Schriftsprache gebraucht, immer noch war Latein führend. Althochdeutsch war zunächst uneinheitlich mündlich und schriftlich. Erst später kam das Bewusstsein, dass alle eine gleiche Sprache sprechen.
Karl der Große nannte zB seine Muttersprache: Fränkisch, aber auch andere Dialekte (zB im Westen die romanisch sprechende Bevölkerung) nannten sich fränkisch. „fränkisch“ wurde dann für die Länder im Westen zum offiziellen Ländernamen: Frankreich.
Jetzt brauchten die Länder im Osten einen eigenen Namen für sich selbst. Hier gab es eine Lücke: „vom Volk, zum Volk gehörig, volkssprachig“ sollte diese Lücke füllen: erster Beleg dafür findet sich in einem lateinischen Text.
Wie weit sich westliche und östliche Landesteile auseinandergelebt haben, zeigen die Straßburger Eide: die Enkel Karl d. Großen kämpften ums Erbe: 842 n. Chr.
Ludwig der Deutsche im Ostreich und Karl der Kahle im Westreich trafen sich in Straßburg, Lothar hatte das Mittelreich und erstere hatten sich gegen Lothar verbündet.
Ludwig, der Deutsche sprach in galloromanisch, Karl in Althochdeutsch -> Treueeid gegen Lothar. -> jeder in der Sprache des anderen, damit auch die Soldaten die Eide verstehen würden. -> hier weiterer Beleg (Folie 21) für das Wort teodiscus.
Erst im Anno-Lied wurde die Bezeichnung deutsch (dytisch) nicht nur für die Sprache, sondern auch für Menschen und Land, um 1100 n. Chr., verwendet
Etymologie (Herkunft) des Begriffs „deutsch“
geht zurück auf theodisc – zum Volk gehörig. Es gab jedoch von Anfang an verschiedene Schreibweisen für dieses Wort. Im 9. Jhd. gab es dann ein Konkurrenzwort: teutonicus, Dieses verschwand aber wieder. Ab dem 16/17. Jhd. wurde es dann allgemein zu deutsch/teutsch
Warum ausgerechnet die Germanen im Ostreich „völkisch“ genannt wurden: Das Gegenüber ist doppelt: Auf der einen ist die Volkssprache „lingua teodisca“ ein Gegenüber zu Latein und ein Gegenüber zu lingua romana.
Im Westen gab es das nicht, da die Lingua rustica romana das Gegenüber zur Lingua latina ist: Otfried (zB) war ein gelehrter Mönch, der Latein lesen und sprechen konnte (nicht schreiben). Seine Dichtung war in fränkisch und somit in der lingua teodisca. Die Gelehrten Leute beherrschten zwei Ebenen: die Sprache der Kirche – das Latein und die Volkssprache. Im Westen ging das Durcheinander: lingua teodisca galt daher als die Sprache der Einheimischen gegenüber dem Latein. Im Westen ist es die Lingua latina rustica, als das bäurische oder gallische Latein. So hat sich das auseinander gelebt. Die beiden Brüder konnten sich verstehen, sie sprachen beide fränkisch, nur die Soldaten konnten diese gemeinsame Sprache nicht: die einen sprachen die Sprache des Ostens und die anderen die Sprache des Westens.
Die Anfänge großräumigen Schriftverkehrs begann unter Verschriftlichung der deutschen Sprache war zunächst sehr wenig, wurde erst mit den Karolingern wichtig, verschwand aber wieder fast gänzlich.
In den klösterlichen Schreibstuben wird dann fast kein Deutsch mehr geschrieben. In der Zeit der Ottonen kam das Latein wieder als die alles dominierende Sprache auf. Es gibt zu der Zeit kaum wichtige deutschsprachige Texte. Latein wurde dann wieder für viele Jahrhunderte wichtig.
Das hilft mir einen Scheiss! :/