Tag der offenen Türe beim Brenner Basis Tunnel – 28.06.2015
Ein Shuttle-Bus bringt uns vom Bahnhof Steinach direkt bis zum Parkplatz von der Baustelle Wolf. Heute ist hier Tag der offenen Türe des Bauprojekts Brenner Basis Tunnel. Es ist 10:20 und die letzten Töne einer Tunnelmesse dringen bis an den Eingang des Tunnels. Hier stehen drei Biertische voll mit Informationsbroschüren über den BBT. Mitarbeiter verteilen Veranstaltungspläne, Broschüren, Essens- und Getränkebons. Dann kann es los gehen.
Der Brenner Basis Tunnel ist ein Verkehrsprojekt, das Teil einer Verkehrsachse von Finnland bis Malta ist. Dieser Tunnel – wenn er fertig ist – hat eine Gesamtlänge von 64 km, reicht von Tulfes bis Franzensfeste, führt unter dem Brenner durch und verbindet so Österreich mit Italien. Mit dieser Länge wird der Tunnel, der 2025 fertig sein wird, der längste unterirdische Tunnel der Welt sein. Die Strecke von Innsbruck nach Franzensfeste hat dann eine Länge von 55 km. Die Fahrtzeit soll dann 25 min. dauern. Für die jetzige Strecke über den Brenner braucht man 80 Minuten.
Die Messe neigt sich dem Ende zu und der Weg durch den Tunnel ist frei. Von oben hört man das Rumpeln und Grollen der Eisenbahn. Der Boden ist steinig und feucht, auf der Seite steht Wasser bzw. rinnen Rinnsale über den Boden den Tunnel hinunter. Auf der Decke hängen Neonröhren. Die Wände des Tunnels sind überraschend schön betoniert. Immer wieder fallen kreisrunde Auswölbungen im Beton auf. Weil überall Personal für Informationen bereitsteht, erfahren wir, dass diese Auswölbungen durch die Art des Betoniervorgangs entstehen. Am Tunnelausgang steht dann auch die Anlage, mit der betoniert wird. Die Felswände werden zunächst mit einer gelben Plastikfolie bespannt, dann der Hohlraum zwischen der Plane und der Betonieranlage durch Löcher in dieser Anlage mit Beton gefüllt, sobald eine bestimmte Füllhöhe erreicht ist, werden diese Luken geschlossen und der Beton von den Luken weiter oben eingefüllt. Sobald der Beton trocken und hart ist, wird der nächste Abschnitt betoniert. Zwischen 5 und 8 Meter neuer Tunnelabschnitt wird jeden Tag geschaffen.
Das Tunnelsystem besteht aus mehreren Teilen. Es gibt einen Erkundungsstollen, zwei Haupttunnelröhren und vier seitliche Zufahrtstunnel. Diese sind eine Verbindung zwischen Haupttunnel und der Oberfläche. Während der Bauphase dienen sie vor allem der Zubringung von Maschinen bzw. dem Abtransport von Baumaterial. Die Haupttunnelröhren bestehen jeweils aus einem Gleis und sind zwischen 40 und 70 Meter auseinander. Alle 333 Meter gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Röhren, diese haben neben logistischen auch sicherheitsrelevante Funktionen. 12 Meter unterhalb dieser beiden Tunnel liegt der Erkundungsstollen. Dieser ist während der Bauphase u.a. wichtig für die geologische Erkundung. Später wird er als Wartungs- und Drainagetunnel genutzt. Insgesamt besteht das fertige Tunnelsystem aus insgesamt 230 km Tunnel. Die Haupttunnelröhre wird dann auf österreichischer Seite eine Steigung von 6,7‰ und auf italienischer ein Gefälle von 4‰ – also die Trasse ist nahezu flach – aufweisen. Die maximale Gebirgsüberlagerung ist 1800m.
Die Baustelle Wolf weist eine Besonderheit auf. An diesem Tunnelende gibt es eigentlich drei Ausgänge, die gemeinsam eine Art Dreieck bilden. Der Zufahrtstunnel hat weiter im Berg eine Abzweigung, den sogenannten Schutterstollen. Dieser dient dem Abtransport von Ausbruchsmaterial. Allerdings ist dieser Tunnelteil heute abgesperrt, man kann aber die staubige und lehmige Luft, die aus dem Tunnel herauskommt riechen, auch das Auto am Eingang ist unter dem Staub kaum zu erkennen. Gleich nach dem Tunneleingang gibt es noch eine Abzweigung, den sogenannten Padastertunnel. Dieser ist 701 Meter lang und endet nur wenige Meter neben dem Ausgang des Schutterstollens. Am Platz vor diesen beiden Ausgängen ist heute ein riesiges Festzelt aufgebaut. Es gibt Bier und Safteln, Bosna und Weißwurst. Am Ende des Zelts spielt die Band laute, volkstümliche Zeltfest-Musik. Alle haben dreckverschmierte, lehmige Schuhe an, die meisten haben die Empfehlung – man möge festes Schuhwerk tragen – Ernst genommen. Viele nutzen den Tag für diesen Ausflug, das Zelt ist gerammelt voll, alle Plätze besetzt. Die Besucher reden über den Brenner Basis Tunnel und das eben Gesehene und Gehörte. Ein älterer Herr erzählt, dass das Beleuchtungssystem im Tunnel schon eine Herausforderung sei, da es aufgrund der Streckenlänge immer zu einem Spannungsabfall kommen würde und deswegen von oben Strom zusätzlich eingespeist werden müsse.
Im Tunnel selbst sind für den heutigen Tag Stationen aufgestellt, hier werden den Besuchern Fragen beantwortet, es gibt Tunnelbau zum Anfassen. In mehreren Schütten liegen unterschiedliche Gesteinsbrocken. Schon im Vorfeld wurden 35.000 Meter an Probebohrungen vorgenommen. Es wurden viele Gesteinsproben gesammelt. Um den geologischen und hydrologischen Unsicherheiten und Überraschungen entgegen zu wirken, wurde der Erkundungsstollen gebaut. Der BBT durchläuft vier verschiedene Hauptgesteinszonen: Innsbrucker Quarzphyllit, Bündener Schiefer, Gneis und Granit. Zusätzlich finden sich aber auch Einschlüsse anderer Gesteinsarten, zum Beispiel Ostalpines Kristallin oder Tomalit. Eine Besonderheit ist die Periadriatische Störung, diese trennt die Südalpen von den Ost- bzw. Westalpen. Sie zählt zu den längsten und bedeutendsten tektonischen Störzonen der Alpen. Ungefähr 700 Meter des Haupttunnelsystems sind davon betroffen. Neben diesen Probebohrungen wurden auch schon im Vorfeld Wassermeldestellen zum Wassermonitoring aufgestellt. So will man sicherstellen, dass eventuelle Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts im Einzugsgebiet dieses Großprojekts sofort bemerkt werden und Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Daneben entstehen durch den Tunnelbau selbst Abwässer, diese werden in Gewässerschutzanlagen auf den jeweiligen Baustellen gereinigt und auf die verschiedensten Messwerte untersucht.
Der Tag der offenen Türe auf der Baustelle Wolf des BBT bietet neben dem Tunnelspaziergang und der Verpflegung auch die Möglichkeit, sich in verschiedene Baumaschinen zu setzen und diese auszuprobieren. Ein beherzter, junger Mann sitzt in einer riesigen Bohrmaschine und gräbt den Hang um, eine Familie lässt sich mit einem Hebekran nach oben fahren. Auch für die Kleinsten gibt es Baustellenattraktionen. Neben der Hüpfburg, steht eine Gokart-Bahn, aus Bauklötzen können Türme gebaut werden. Auch die Schminkstation darf natürlich nicht fehlen. Diese Spielplätze für Große und Kleine bieten einen harten Kontrast zum Panorama außerhalb der Baustelle. Man steht hier mitten in der Deponie des Brenner Basis Tunnel.
Beim Bau des BBT fallen ca. 17 Millionen Tunnelausbruchsmaterial an. Alles, was nicht wieder verwertet werden kann, muss irgendwo gelagert werden. Dafür entstehen entlang der Strecke sieben Deponien. Eine davon ist das Padastertal, wo der zweite Ausgang des Zugangstunnels ist. Alle Deponien sind so geplant, dass sie einen bestimmten Zweck erfüllen – zum Beispiel Lärmschutz für die Autobahn – und sich optisch in die Landschaft einfügen. Am Ende des Baus werden alle Deponien wieder kultiviert und ihrer ursprünglichen Verwendung zugefügt. Die Deponie im Padastertal – ein Seitental des Wipptals – ist die größte Deponie. Von hier wird der Tunnel sowohl Richtung Innsbruck als auch Richtung Franzensfeste gegraben. Um das Gebiet als Deponie nutzen zu können, mussten zunächst einige Baumaßnahmen vorgenommen werden: Der Padasterbach musste umgeleitet werden. Dieser fließt jetzt durch einen Stollen. Der Padastertunnel wurde gebaut, somit muss das Material nicht durch bewohntes Gebiet gebracht werden. Eine weitere Maßnahme war der Bau des Schutterstollens. Zum Schutz von Hochwasser bzw. Vermurungen wurden eine Geschiebesperre und Einlaufbauwerk errichtet. Nach Fertigstellung des BBT wird aus dem ehemaligen V-Tal ein gänzlich renaturiertes U-Tal. Der neue Talboden wird dann einen neuen Wasserlauf haben, Weideflächen, Ausgleichsflächen und einen Forstweg.
Im Moment kann man sich dieses neue Erscheinungsbild nicht vorstellen, genauso wenig wie in Innsbruck in den Zug einzusteigen und in nur 25 Minuten in Italien wieder den Zug zu verlassen. Allerdings wird das erst 2026 – ein Jahr nach Fertigstellung des Brenner Basis Tunnels – möglich sein.