Radtour im Inntal

Noch schnell vor dem nächsten Regen eine Radtour

Zwischen Sonnenstrahlen und Regenwarnung: Unterwegs im Frühling, auf zwei Rädern, mit dem Himmel im Blick. Diese Radtour durchs Inntal war kein Schönwetterausflug. Sie war eine kleine Flucht vor dem Wetter, ein Rennen gegen die Zeit, ein Tanz mit der Natur. 

Von Westen her zieht es langsam zu. Die Sonne hat sich noch nicht verabschiedet, aber sie wird fahler. Die Schatten der Bäume auf dem Asphalt verlieren an Kontur, als hätte jemand die Sättigung runtergedreht. Es ist ein Dienstagmorgen Mitte April, und ich sitze auf dem Rad – unterwegs durchs Inntal in Tirol, zwischen Hall und Kufstein, begleitet vom flüchtigen Gefühl: Wenn ich mich beeile, schaffe ich es vor dem Regen.

Der Tag beginnt verheißungsvoll. Die Luft ist mild, das Thermometer zeigt 14 Grad, die Vögel haben offensichtlich Frühdienst. Noch während ich den Helm schließe, höre ich das Klopfen eines Spechts und das anhaltende, unermüdliche Zwitschern der Amseln. Der April gibt sich heute erst einmal sanft. Aber der Wetterbericht war eindeutig: Ab Mittag soll eine Front aufziehen. Sturmböen. Starkregen. Die Warnfarben auf der Wetterkarte waren nicht zu übersehen.

Dennoch: Wer im Frühling aufs Rad steigt, weiß, worauf er sich einlässt. Und manchmal macht genau das den Reiz aus – nicht nur die Landschaft, sondern auch das Spiel mit dem Wetter, das Rennen gegen die Wolken.

Losfahren – und loslassen

Ich starte in Hall in Tirol. Der Inntalradweg beginnt hier mit einem breiten, gut ausgebauten Abschnitt, der sich sanft an den Fluss schmiegt. Links das Wasser, träge, grünlich-grau. Rechts Wiesen, Felder, erste Obstbäume in weißer Blüte. In der Ferne – noch in der Sonne – glitzern die Gipfel des Karwendelgebirges.

Der Fahrtwind ist kühl, aber nicht unangenehm. Der Wind kommt von hinten – ein Glücksfall, den man in den Bergen nicht oft hat. Es rollt. Mein Blick wandert, bleibt an Details hängen: eine Katze auf einer Scheunentreppe, ein Kind auf einem Trettraktor, zwei Männer mit Rechen auf einem noch winterblassen Feld.

Nach rund zehn Kilometern erreiche ich Wattens. Ein kurzer Halt, ein Schluck Wasser. Ich blicke nach Westen. Die Wolken sind näher gerückt. Schwer, tief, in langen Bänken. Noch sind sie grau, nicht schwarz, doch ihr Gewicht ist spürbar. Es ist, als würde die Landschaft kurz den Atem anhalten.

Das Inntal im Frühling – zwischen Erwachen und Erwartung

Der Radweg zieht sich wie ein Band durch die sanft gewellte Landschaft. Man passiert Dörfer mit barocken Kirchtürmen, Industrieanlagen, einsame Höfe und kleine Kraftwerke. Der Frühling zeigt sich hier nicht spektakulär, sondern zurückhaltend. Kein Farbfeuerwerk, sondern eher Aquarell: zartes Grün, erste gelbe Wiesenblumen, dunkle Ackerfurchen.

Hinter Schwaz beginnt es leicht zu tröpfeln – nicht viel, kaum mehr als ein Hauch Feuchtigkeit auf der Brille. Ich fahre weiter. Die Geschwindigkeit wird nun zum Schutz – wer sich bewegt, bleibt trocken. Noch ist kein Grund zur Sorge, aber der Wind dreht, wird unruhiger, bäumt sich stellenweise auf, drückt seitlich gegen das Rad.

Ich trete kräftiger in die Pedale. Nicht aus Panik, sondern aus Instinkt. Es ist, als hätte der Körper längst entschieden, was zu tun ist.

Der Himmel kippt

Hinter Rattenberg wird das Licht endgültig bleiern. Der Wind frischt auf. Blätter fliegen über den Weg, einzelne Tropfen treffen nun deutlich spürbar auf Helm und Jacke. Ich ziehe die Regenhülle über den Rucksack, stopfe die Karte weg, schließe den Reißverschluss bis unters Kinn.

Jetzt geht es ums Tempo. Nicht hektisch, aber bestimmt. Noch gut 20 Kilometer bis Kufstein. Der Inntalradweg bleibt gut befahrbar, aber er wirkt plötzlich leerer, offener, angreifbarer. Die Natur verändert sich mit dem Wetter. Was eben noch einladend war, wird jetzt wild, unberechenbar, kraftvoll.

Vor Wörgl muss ich kurz anhalten. Eine Böe erfasst mich, reißt fast die Brille vom Gesicht. Dann: ein erster Donner, fern, gedämpft, aber unmissverständlich. Ich fahre weiter, der Regen wird nun dichter, das Wasser spritzt vom Vorderrad auf die Hose. Aber ich bin ruhig. Der Körper funktioniert. Die Entscheidung, es durchzuziehen, ist längst gefallen.

Ankunft mit Tropfen – und Stolz

Als ich Kufstein erreiche, ist es früher Nachmittag. Die Kirchturmuhr schlägt, während ich im leichten Dauerregen in die Altstadt einrolle. Die Festung thront wie immer über der Stadt, in Nebel gehüllt, fast gespenstisch. Ich stelle mein Rad unter ein Vordach, setze mich in ein Café – dampfend, erschöpft, zufrieden.

Draußen prasselt es jetzt. Richtig. Der Himmel hat endgültig entschieden. Ich aber bin angekommen – nicht trocken, aber rechtzeitig.

 

… und dann bin ich aufgewacht.

Aus dem Tagebuch

Noch schnell vor dem nächsten Regen …

waren wir am Sonntag Radfahren: Ich bin allerdings in Kranebitten umgedreht, damit ich den Rest der Familie bein Nervenzusammen- und Wolkenbrüchen unterwegs mit dem Auto wieder abholen kann. Sie waren ganz tapfer und haben fleissig getreten – und sind bis nach Telfs gekommen! – Hut ab, sogar Tochter Nr.1 ist soweit gekommen – ich bin mir nicht sicher, ob ich den weiten Weg gepackt hätte.

Seit Sonntag am Abend regnet es nun fast ununterbrochen. Und wenn es nicht gerade regnet, ist es kalt und kalt und kalt. Ich will endlich wieder Sommer und Wärme: mit einem guten Buch auf der Terrasse sitzen ….

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