Prokrastination ist belastend

Prokrastination – Disziplin und Durchhaltevermögen

Du kennst das sicher: Die Steuererklärung liegt seit Wochen unangetastet auf dem Schreibtisch, der Kleiderschrank müsste dringend ausgemistet werden, und eigentlich wolltest Du Dich endlich um Deinen nächsten beruflichen Schritt kümmern – dafür machst du aber viele Dinge, die aktuell viel angenehmer sind. Willkommen in der Welt der Prokrastination – dem Phänomen, Dinge aufzuschieben, obwohl man genau weiß, dass sie gemacht werden sollten.

„Ich mach das später“ – Willkommen in der Welt der Prokrastination

Zunächst einmal: Prokrastination ist kein Zeichen von Schwäche oder mangelndem Fleiß. Viele Betroffene sind im Gegenteil sehr verantwortungsbewusst, engagiert und leistungsbereit. Gerade weil sie ihre Aufgaben ernst nehmen, geraten sie unter Druck – und dieser innere Druck blockiert. Das Paradoxe daran: Die meisten Menschen wissen genau, was zu tun wäre – und warum es wichtig ist. Doch trotzdem kommen sie nicht ins Handeln. Das erzeugt Frust, Selbstzweifel und ein schlechtes Gewissen. Und je länger die Aufgabe liegt, desto größer wird der innere Widerstand. Das Gehirn versucht, Unlust, Angst oder Überforderung zu vermeiden, indem es auf „Flucht“ umschaltet. Es lenkt sich ab, verschiebt, vertröstet. Für den Moment ist das angenehmer. Aber auf lange Sicht raubt es Kraft und Selbstvertrauen.

Warum wir aufschieben – die psychologische Seite

Die Gründe für Prokrastination sind oft tieferliegend als bloße Unlust. Einige typische Auslöser:

  • Perfektionismus: Wer hohe Ansprüche an sich stellt, will eine Aufgabe nicht einfach irgendwie erledigen. Doch je perfekter das Ergebnis sein soll, desto größer wird die Angst, daran zu scheitern. Die Folge: Man beginnt gar nicht erst.

  • Angst vor Bewertung: Ob im Job, im Studium oder im Privatleben – wer sich ständig beobachtet oder bewertet fühlt, kann sich blockiert fühlen. Prokrastination wird dann zur Schutzstrategie: Wer nicht liefert, kann auch nicht kritisiert werden.

  • Unklare Ziele: Wenn nicht klar ist, was genau zu tun ist oder wo der erste Schritt liegt, ist der Einstieg besonders schwer. Strukturlose Aufgaben fördern das Aufschieben.

  • Emotionale Erschöpfung: Wer ausgelaugt ist, wenig Schlaf bekommt oder sich ständig um andere kümmern muss, hat schlicht keine Ressourcen mehr für schwierige Aufgaben. Das hat nichts mit Faulheit zu tun, sondern mit fehlender Energie.

Das gesellschaftliche Umfeld

Viele Menschen leben heute in einem Zustand ständiger Erreichbarkeit, hoher Erwartungen und starker Reizüberflutung. E-Mails, Messenger, Push-Nachrichten – überall lauern kleine Ablenkungen, die unser Konzentrationsvermögen schwächen. Gleichzeitig wird Leistung oft zum Maßstab für persönlichen Wert erhoben. Wer nicht produktiv ist, fühlt sich schnell als Versager.

Prokrastination ist also nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Es lohnt sich, diese Zusammenhänge zu erkennen – nicht um Ausreden zu finden, sondern um realistischer und achtsamer mit sich selbst umzugehen.

Wege aus dem Aufschiebeverhalten

Die gute Nachricht: Prokrastination ist ein Verhalten, das man verändern kann – nicht über Nacht, aber Schritt für Schritt. Hier einige Strategien, die sich im Alltag bewährt haben:

  • Selbstbeobachtung statt Selbstkritik: Versuche herauszufinden, warum Du gerade nicht ins Tun kommst. Was fühlst Du? Welche Gedanken gehen Dir durch den Kopf? Schon das bewusste Erkennen innerer Muster kann helfen, ihnen die Macht zu nehmen.
  • Klein anfangen: Große Aufgaben schrecken ab. Besser ist es, sie in kleine, konkrete Schritte zu zerlegen. Frag Dich: Was ist der allererste, kleinste Schritt, den ich jetzt machen kann? Oft reicht es, fünf Minuten zu beginnen – und plötzlich bist Du drin.
  • Zeitfenster setzen: Statt mit vagen Vorsätzen wie „Ich muss das heute machen“, plane feste Zeitfenster ein: „Von 15:00 bis 15:30 arbeite ich konzentriert an Aufgabe X.“ Verbindlichkeit hilft mehr als bloße Absicht.
  • Arbeitsumgebung gestalten: Reduziere Ablenkungen so weit wie möglich. Handy stumm, Browser-Tabs schließen, Schreibtisch aufräumen. Eine klare Umgebung fördert klares Denken.
  • Belohnungen einbauen: Wer sich nach erledigten Aufgaben bewusst etwas Gutes tut – eine Pause, ein Spaziergang, ein Kapitel im Lieblingsbuch –, schafft positive Verstärkung. Dein Gehirn lernt: Anstrengung lohnt sich.
  • Mit anderen drüber sprechen: Manchmal hilft es, über die eigenen Blockaden zu reden – mit Freunden, Kolleg:innen oder in einer Selbsthilfegruppe. Auch gemeinsame Arbeitszeiten („Body-Doubling“) sind hilfreich: Jede:r arbeitet für sich, aber in Gesellschaft, was motiviert und ablenkt zugleich.

Wenn Prokrastination zur Belastung wird

Es gibt Situationen, in denen Prokrastination über das Alltägliche hinausgeht und zur chronischen Belastung wird. Wenn Du dauerhaft das Gefühl hast, Dich selbst zu sabotieren, ständig unter Druck stehst oder Deine Lebensqualität leidet, solltest Du professionelle Hilfe in Erwägung ziehen. Psychologische Beratung, Coaching oder therapeutische Unterstützung können helfen, Ursachen zu erkennen und gezielte Wege aus der Blockade zu finden.

Was hinter dem Aufschieben stecken kann

Nicht immer ist Prokrastination bloß ein Zeichen mangelnder Disziplin. Manchmal ist sie auch ein stilles Signal, dass eine Aufgabe oder ein Ziel gar nicht zu Dir passt. Vielleicht sabotierst Du Dich nicht, sondern Dein Inneres sagt ganz leise: Ich will das gar nicht. In solchen Fällen lohnt sich ein ehrlicher Blick auf die eigenen Werte, Wünsche und Ziele.

Fazit: Mehr Verständnis, weniger Druck

Prokrastination ist menschlich. Sie entsteht nicht aus Schwäche, sondern aus inneren Spannungen, Erwartungen und Emotionen. Wer sich selbst besser versteht, kann mit mehr Mitgefühl und weniger Druck an Aufgaben herangehen – und so Stück für Stück aus dem Aufschieben herausfinden.

Wichtig ist: Es geht nicht darum, perfekt zu funktionieren. Sondern darum, in Bewegung zu kommen – mit Klarheit, Struktur und einer guten Portion Selbstfreundlichkeit. Und manchmal beginnt der Weg genau jetzt – nicht morgen.

 

Checkliste: Raus aus der Aufschiebefalle

Vor dem Start

  • Was genau muss ich tun? – Klarheit über die Aufgabe schaffen
  • Warum fällt es mir schwer? – Gefühle und Blockaden benennen
  • Ist mein Ziel realistisch? – Erwartungen ggf. anpassen

Während der Arbeit

  • Aufgabe in kleine Schritte aufteilen
  • Einen festen Startzeitpunkt festlegen („Ich beginne um 10:00 Uhr“)
  • Handy lautlos / Ablenkungen minimieren
  • Mit einem 5-Minuten-Timer starten (oft entsteht daraus mehr)
  • Selbst dran erinnern: Es muss nicht perfekt sein – nur begonnen.

Nach Erledigung

  • Kleine Belohnung einplanen (z.?B. Pause, Lieblingsgetränk, Spaziergang)
  • Reflektieren: Was hat heute gut funktioniert?
  • Nicht geschaffte Dinge ohne Selbstvorwurf auf morgen verschieben

Alles Gute wünscht ein Prokrastinationsprofi!

 

Lesetipp zum Thema Prokrastination

Aus dem Tagebuch

Ich ärgere mich gerade wieder über mich selber: warum bin ich so ein Faulsack?

Ich sitze hier ärgere mich über „meine“ drei Foren: im einen ist mir zu wenig los, im anderen ärgere ich mich über den Admin/Mod, weil er seine Spielchen mit einer Userin treibt, die nicht ins Bild passt, im dritten werden unangenehme Beiträge versehentlich gelöscht. Aus dem einen komme ich nicht weg, ins andere bin ich versehentlich reingeschneit und im dritten bin ich einfach zu wenig ausgelastet.

Aber zugleich hätte ich genug anderes zu tun: ich könnte lernen, Sport machen, an meiner Homepage arbeiten, endlich meine Filme fertig machen, am Buch schreiben, Mediationsunterlagen umarbeiten bzw. weiterschreiben. Warum mach ich das nicht? Warum sitze ich lieber vor den Foren und schreibe dort (vor allem in dem, aus dem ich irgendwie nicht fort komme)?
Woran liegt das?

Andere haben doch auch die Disziplin etwas durchzuziehen. Warum schaffe ich das nicht? Warum kann ich micht nicht hinsetzen und meinen Vortrag vorbereiten. Warum gehe ich sogar lieber aufräumen statt lernen? Ich versteh es nicht.

Und jetzt sitze ich hier und sudere herum, anstatt was zu tun.

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