Signaturen und Internetforen in der Zeit der alten Computer hatten was

Internetforen – das Wohnzimmer des Webs

Bevor Likes regierten und Algorithmen unsere Meinung formten, gab es sie: die Internetforen. Digitale Biotope voller Experten, Trolle und endloser Diskussionen. Ein satirischer Streifzug durch die goldenen (und bleiernen) Zeiten von phpBB, Heise & Co – inklusive Foren-Kriege und Signaturkunst.

„Thread Closed“: Die große Geschichte der Internetforen – eine satirische Ehrenrunde

Es war einmal, in einem Internet vor unserer Zeit – ein Web voller blinkender GIFs, modemer Pieptöne und kaum gestylter HTML-Seiten. Dort lebte eine Spezies, die heute fast ausgestorben ist: der Forennutzer. Er hauste in textbasierten Siedlungen namens „Boards“, „Foren“ oder – für die besonders Eingeweihten – „Communities“.

Dies ist ihre Geschichte. Eine Geschichte von Leidenschaft, Flamewars und der hohen Kunst der Signaturgestaltung.

Genesis – Als das Web noch schwarz auf grau war

Alles begann in den dunklen Tiefen der 90er, als das Internet noch jung war und Google gerade mal laufen lernte. In dieser Prä-Social-Media-Welt waren Internetforen die Oasen der Kommunikation. Kein TikTok, kein Instagram – nur du, dein Modem und eine Horde Gleichgesinnter, die über Linux-Kernel diskutierten oder die korrekte Aussprache von „GIF“.

Die Software? Legendäre Namen wie phpBB, vBulletin oder Invision Power Board. Wer ein Forum betrieb, war nicht nur Admin, sondern gottgleich – mit Bannhammer und Avatar-Uploadrechten. Hier zählte nicht dein Aussehen, sondern dein Postcount.

Die Blütezeit – Von Techniknerds und Thread-Hijackern

In den Nullerjahren erlebten Foren ihre große Blütezeit. Sie waren die Wohnzimmer des Internets – Orte, an denen man sich über alles austauschen konnte: vom besten BIOS-Update über Katzenbilder bis hin zu den ethischen Implikationen des Capslocks.

Ein paar große Namen der Szene:

  • Heise-Forum – wo Diskussionen über IT-Sicherheit in wütende Debatten über Politik und Philosophie entgleisten.

  • Hardwareluxx – der Tempel der Tuningjünger und Lüfterfetischisten.

  • Chip-Forum – Heimat aller, die von ISDN auf DSL umstiegen und darüber einen Erfahrungsbericht in sechs Teilen schreiben wollten.

  • 4chan – die dunkle Seite der Macht. Wo Memes geboren, Anstand begraben und Ironie zur Währung wurde.

  • Gutefrage.net – technisch kein Forum, aber ein Mahnmal dafür, was passiert, wenn man Menschen unbeaufsichtigt Fragen stellen lässt.

Und dazwischen: Tausende kleinere Foren – über Aquaristik, Modellbau, Gothic-Fashion, Verschwörungstheorien oder das Kochen mit Thermomix.

Kulturtechniken in Internetforen

Wer in Foren aktiv war, entwickelte eine eigene Rhetorik:

  • „+1“ – Der frühe Like, nur textlich.

  • „Erst lesen, dann posten!“ – Der Schlachtruf der Mods, meist erfolglos.

  • Signaturen – poetisch, plakativ, manchmal mit blinkender Schrift in Comic Sans.

Die wahre Magie aber lag im „Thread-Hijacking“. Ein harmloser Beitrag über WLAN-Probleme wurde binnen fünf Posts zum Grundsatzstreit über Open Source vs. Windows. Moderatoren, liebevoll „Mods“ genannt, versuchten mit Zurechtweisungen wie „Bitte beim Thema bleiben“ das Chaos zu bändigen – meist mit mäßigem Erfolg.

Flamewars, Trolle und Legenden

Kein Internetforum ohne Drama. Die User waren sich selten einig, dafür umso überzeugter. Diskussionen eskalierten regelmäßig, Threads wurden „geclosed“, User „gebannt“. Besonders berüchtigt waren Flamewars: Eskalationen biblischen Ausmaßes, bei denen sich zwei Fraktionen über 27 Seiten bekriegten – etwa über die Frage, ob Linux besser als Windows sei (Antwort: ja/nein/kommt drauf an).

In diesen Gefechten wuchsen auch die Helden der Szene heran: Der User mit 13.000 Posts, der nie schlief. Der eine Mod, der alles las. Und natürlich der Troll, der mit einem Satz ganze Diskussionen entgleisen ließ: „Das ist doch alles nur eure Meinung.“

Der langsame Tod der Internetforen

Dann kamen Facebook, Twitter und Reddit. Foren verschwanden nicht sofort, aber sie wurden leiser. Threads blieben unbeantwortet, Userprofile verwaisten. Die letzte Aktivität: „Letzter Login: 2015“.

Heute sind viele Foren Geisterstädte. Manchmal verirrt sich noch jemand in ein altes Board, stellt eine Frage – und bekommt Monate später eine Antwort von einem Bot.

Und doch: In Nischen leben sie weiter. In Foren für Oldtimer, spezielle Linux-Distros oder Bassgitarren diskutieren die Unermüdlichen weiter – freundlich, sachlich, ganz ohne GIF-Reaktionen. Retro eben.

Warum wir sie trotzdem lieben

Foren waren mehr als nur Technik-Hotlines. Sie waren Gemeinschaften. Wer dort aktiv war, lernte Geduld, Recherche und den Unterschied zwischen „Antworten“ und „Antworten mit Zitat“. Es gab keine Algorithmen – nur echte Menschen mit echter Meinung. Schrullig, manchmal nervig – aber ehrlich.

Und vielleicht, ganz vielleicht, kehren Foren zurück. Als Gegenmodell zur Aufmerksamkeits-Ökonomie, als ruhige Insel im Strom der Social-Media-Flut. Wo Diskussion nicht bei 280 Zeichen endet – sondern beginnt.

Thread geschlossen. Aber nicht vergessen.

Aus dem Tagebuch – 2008

endlich gibt es ein eigenes Internetforum für TirolerInnen. Es ist zwar no a bisserl kloan, aber des wert scho … (leider ist das Forum schon längst Geschichte.

 

Zwischen Weisheit und Wahnsinn – Die Welt der Signaturen

Don’t feed the Troll – Nervensägen im Internet

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