Janne Teller – Nichts. Was im Leben wichtig ist

Much Ado About Nothing

Einen Berg von Bedeutung, das ist das, was die 7. Klasse der Schule in Taering, erbauen möchte. Auf die Idee bringt sie der Mitschüler Pierre Anthon, der kurz nach den Ferien den Unterricht mit den Worten „Denn alles fängt nur an, um aufzuhören. In demselben Moment, in dem ihr geboren werdet, fangt ihr an zu sterben. Nichts bedeutet irgendetwas, das weiß ich seit langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden.“ verlässt. Dieser Gedanken macht den Mitschülern Angst und sie wollen ihm beweisen, dass es sehr wohl Bedeutung gibt. So wird der Berg der Bedeutung mit wirklich bedeutungsvollen Dingen gefüllt: je mehr es schmerzt, sich von etwas zu trennen, desto bedeutungsvoller sei dieser Gegenstand. Jeder, der Schüler, der etwas gegeben hat, darf bestimmen, was der nächste in der Reihe hergeben soll. Es beginnt ganz harmlos mit einem alten Gesangbuch, einer alten Puppe, dann müssen die neuen grünen Sandalen auf den Berg gegeben werden. Jeder der Kinder fordert vom nächsten ein bisschen mehr Bedeutung.

Die Ereignisse werden von der Mitschülerin Agnes erzählt, sie ist eine der ersten, die den Berg der Bedeutung füllen muss. Dabei benutzt Teller eine Sprache, die einerseits einer Jugendlichen angemessen ist und andererseits auch wie ein Bericht der Geschehnisse wirkt. Auffallend und ein Vorbote auf die kommenden Ereignisse ist die häufige Verwendung von Klimaxen wie: Ein Stein. Zwei Steine. Viele Steine. aber auch Etwas. Viel. Bedeutung! Trotz dieser Steigerungen bleiben die Figuren – allen voran Agnes – kalt. Keiner zweifelt je an den Handlungen, sie zweifeln nur daran, ob der Berg der Bedeutung wirklich Bedeutung hat. Gleichzeitig versuchen sie – und das ist fast wie im wirklichen Leben – alle Zweifel zu ersticken, sie mit noch mehr Bedeutung zu überdecken.

Agnes und ihre Mitschüler erinnern ein wenig an Peter und Paul von Funny Games. Sie sind ganz normale Jugendliche, die sich Gedanken um Bedeutung machen, dabei wirken sie harmlos, nett, ja sogar ein wenig kindlich. Vor diesem Hintergrund wirkt die eskalierende Gewalt beim Bedeutungsgewinn umso verstörender. Es kommt hier zu einem Gegensatz zwischen Normalität und Fanatismus. Das verstört und macht Angst. Diese Angst führt dann auch dazu, dass sich der Leser fragt, warum denn niemals eine übergeordnete, regulierende Instanz einschaltet. Warum sagen die Eltern nichts, oder die Lehrer? Hier unterscheidet sich „Nichts“ von Erzählungen wie „Der Herr der Fliegen“ oder „Die Welle“, bei denen die vermeintliche Rettung durch eine höhergeordnete Instanz erfolgt. Doch die fehlt hier gänzlich.

Mit dieser Erzählung hat Teller ein aktuelles Thema aufgegriffen – in einer Welt, wo immer mehr Jugendliche auf der Suche nach Halt, Selbstfindung und Orientierung sind – muss auch eine Frage nach Bedeutung möglich sein. Dabei darf auch ein nihilistisches Gedankenexperiment nicht zu einem Tabuthema verkommen.

„Nichts. Was im Leben wichtig ist“ ein Jugendbuch der dänischen Autorin Janne Teller. Trotz des Jugendbuchpreises des dänischen Kulturministeriums ist „Nichts“ stark bekämpft und darf in zahlreichen Schulen in Dänemark, Frankreich und Norwegen nicht gelesen werden. Teller meint dazu: „Es ist schon erstaunlich, dass ein Buch heutzutage in Westeuropa derart bekämpft werden kann. Nicht wegen brutaler oder sexistischer oder verhetzender Inhalte, sondern nur wegen der Fragen, die es aufwirft.“

Janne Teller – Nichts. Was im Leben wichtig ist Janne  Teller Nichts

Roman, 140 S, TB
Hanser, Deutscher Taschenbuch Verlag, April 2012

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