Reportage zur Demonstration: Innsbruck gegen Faschismus
Es ist Samstag, 13:30 und die Temperaturen liegen bei Null Grad. Der Platz vor dem Innsbrucker Landhaus füllt sich langsam mit Menschen, alle sind dick vermummt um sich vor der Kälte zu schützen. Unter den vielen Füßen verwandelt sich der Schnee am Boden langsam in braunen Matsch. Zwischen den Beinen laufen Hunde herum und spielen. Gesprächsfetzen wehen durch die Luft und vermengen sich mit den Transparenten und Plakaten, die viele mitgebracht haben.
Offiziell startet die Demonstration mit anschließendem Protestmarsch gegen die rechten Männerbünde, die in Innsbruck ihren Verbandstag abhalten wollen, um 14:00. Ursprünglich wollten sich die 150 Burschenschafter aus schlagenden Verbindungen in der Messe treffen, doch die Betreiber der CMI, darunter Stadt, Land und Wirtschaftskammer, haben nach langer Überlegung den Vertrag mit den rechten Gesellen gekündigt. Innsbrucks Bürgermeisterin nahm klar gegen diese Burschenschaften Stellung, Vortragende, die im Visier des Verfassungsschutzes stehen, wie Andreas Mölzer und Walter Tributsch, seien in Innsbruck im Jahr des Pogromgedenkens in Innsbruck nicht erwünscht.
Der Landhausplatz ist gut gefüllt, ca. 2000 meist junge Leute, unter ihnen auch der Tiroler Kabarettist Markus Koschuh. Sie alle sind hier, um gegen Faschismus, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Sexismus zu demonstrieren. Kurz nach zwei Uhr klettert eine junge Frau mit grauer Pudelmütze auf das Dach eines weißen VW-Buses. In der Hand hält sie ein buntes Megafon. Neben ihr steht ein großer Lautsprecher. Im Auto unter ihr sitzt eine ältere Dame, ganz in rosa gekleidet, sie scheint so gar nicht hier her zu gehören. Mit einem Lächeln auf den Lippen, winkt sie aus dem Fenster. Die Dame ist Rosi Hirschegger, eine Zeitzeugin, Widerstandskämpferin und Überlebende des Terrors der Nationalsozialisten.
Um 14:10 beginnt Claudia Schütz, die 28jährige Bündnissprecherin von „Innsbruck gegen Faschismus“ mit der Rede zu dieser Protestkundgebung. Die Rede wurde von Natascha Strobl, einer Politikwissenschaftlerin und Expertin für Rechtsextremismus, geschrieben. Darin ruft sie nicht zur Demonstration gegen die 150 Burschenschafter auf, die nach Innsbruck gekommen sind. Sie ruft zum Widerstand gegen deutschnationale Männerbünde, deren Mitglieder so tun, als wären sie die Verfolgten. Dabei sind sie es, die immer wieder mit rechtsextremen Verbrechen in Verbindung gebracht werden können. Sie appelliert an alle Demonstranten, sich immer und überall gegen Faschisten zu stellen, auch wenn sie sich hinter einer Partei wie der FPÖ, in der sich zahlreiche rechte Burschenschafter finden, verstecken.
Die Demonstranten ziehen langsam durch die Stadt, immer wieder bleibt die Masse stehen, johlt ihre Parolen gegen Faschismus. Aus dem Auto, das den Protestmarsch begleitet, klingt ein Lied. Das bekannte, englische Kinderlied If you’re happy and you know it, clap your hands, wird in ein If you hate the Nazis, clap your hands umgedichtet. Viele machen mit, singen, klatschen in die Hände, stampfen, passend zum Text, mit den Füßen. Sie fordern Passanten und Touristen auf, mitzukommen gegen Fremdenfeindlichkeit und ewig Gestrige zu demonstrieren: Sei laut! Sei stark! Sei dabei! – Hört auf einkaufen, kommt mit! Bei der Annasäule stehen viele Zuschauer und fotografieren den Aufmarsch.
Aber nicht nur Passanten und Touristen fotografierten den Aufmarsch, auch die Polizei machte Fotos und Filmaufnahmen von den friedlichen Demonstranten. Ungefähr 300 Polizisten aus Tirol, Kärnten, Vorarlberg und der WEGA aus Wien begleiteten die Demo für Toleranz, Vielfalt und Gleichberechtigung. Zeitgleich tagten die Deutschen Burschenschaften in einem Lokal im Gewerbegebiet. Auch hier kamen Polizeibeamte zum Einsatz, denn sie sperrten den Bereich um das Lokal großräumig ab. Unter den Teilnehmern des Verbandstags waren der freiheitliche Abgeordnete Reinhard Eugen Bösch und der frühere FPÖ-Nationalratspräsident Gerulf Stick.
Es ist 16:30, der Protestzug ist vor Innsbrucks Messe angekommen. Vor den Demonstranten stellen sich die Polizisten in einem Bogen auf. Die Burschen sind nicht hier, die mussten ja in ein anderes Restaurant ausweichen. Schade, dass der Protestzug nicht bis dorthin weiter ging. Schade auch, dass es immer noch – trotz der Proteste – Gastwirte gibt, die sich Rassisten, Faschisten, Nationalisten und Sexisten ins Haus holen. Der Protest muss weiter gehen – nächstes Mal am 24. Jänner in Wien, wenn sich Burschenschaften und FPÖ zum Wiener Akademikerball treffen.