Besuch beim Kinderarzt mit einer Vierjährigen
Es beginnt harmlos. „Heute gehen wir zum Kinderarzt“, sage ich in meiner freundlichsten Stimme, während ich meiner vierjährigen Tochter die Jacke anziehe. Sie erstarrt. Ihre Augen weiten sich. Sie hat mich durchschaut. „Nicht der mit dem Holzstäbchen?!“ – Ja, genau der. Und nein, es gibt kein Entkommen. Zumindest nicht für mich – eine satirische Betrachtung!
Der Feind in Weiß – Besuch beim Kinderarzt mit einer Vierjährigen
Im Wartezimmer des Kinderarztes regiert das Chaos in Pastell. Spielsachen, die offenbar zuletzt 1987 desinfiziert wurden, liegen verstreut auf einem Boden, auf dem sich Millionen Keime die Hände reichen. Mein Kind hat sich inzwischen unter dem Stuhl verschanzt und ruft „Ich bin kein Mensch, ich bin ein Einhorn!“, was, zugegeben, auch mein bevorzugter Fluchtweg aus dieser Situation wäre.
Dann ruft die Arzthelferin unseren Namen. Ich greife nach der Regenbogenjacke, aus der sich inzwischen ein strampelndes Bündel Drama windet. Unter sanfter Gewaltandrohung („Wenn du jetzt nicht kommst, singe ich im Wartezimmer ‘Let it Go’ laut mit“) schaffen wir es ins Behandlungszimmer.
Vierjährige deckt eine Verschwörungstheorie auf
Der Kinderarzt begrüßt uns freundlich – zu freundlich. Meine Tochter verdächtigt ihn offenbar einer Verschwörung und schenkt ihm einen Blick, der irgendwo zwischen „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ und „Fass mich an und ich schrei’“ liegt. Er versucht Smalltalk. „Na, wie geht’s denn der kleinen Prinzessin?“ Falscher Titel. Sie ist aktuell Dinosaurier. Und äußerst misstrauisch.
Dann folgt das Prozedere: Fieber messen, Herz abhören, in den Hals schauen. Jedes einzelne Detail wird kommentiert. „Warum ist dein Stethoskop kalt?“ – „Warum glitzert dein Kugelschreiber nicht?“ – „Warum musst du in meinen Hals schauen, wenn mein Fuß weh tut?“ Gute Fragen. Keine Antworten. Dafür Schweißperlen auf meiner Stirn.
Impfung muss sein
Dann die Impfung. Ein Wort, das man in Gegenwart eines Vierjährigen nicht laut ausspricht. Ich erwähne es nur verschleiernd: „Der Doktor macht jetzt ein kleines Piekschen, so wie ein Mückenstich.“ Sie sieht mich an, als hätte ich ihr gerade mitgeteilt, dass Weihnachten ausfällt. Tränen, Geschrei, Festhalte-Technik Stufe 3. Ich überlege kurz, mich selbst impfen zu lassen – gegen Emotionen.
Nach dem Akt folgt die Belohnung. Ein Aufkleber. „Ein Eisbär mit Sonnenbrille? Wo ist der mit dem Glitzerpony?“ Auch hier bin ich wieder ungenügend vorbereitet. Doch nach einer Packung Gummibärchen aus der geheimen Notfalltasche ist alles vergessen. Fast alles.
Wir verlassen die Praxis – ich schweißgebadet, sie stolz wie eine kleine Heldin. „Mama, ich war mutig, oder?“ Ich nicke. Absolut. Und ich auch.
Fazit: Ein Kinderarztbesuch mit einer Vierjährigen ist ein intensives Erlebnis – eine Mischung aus pädagogischer Feinkunst, psychologischer Kriegsführung und Improvisationstheater. Wer das übersteht, kann auch den Elternabend überleben. Vielleicht.
Aus dem Tagebuch – Kinderarztbesuch
Meine Vierjährige musste zum Blutabnehmen, weil sie einen geschwollenen Fuß im Bereich des Knöchels hatte. Selbst der Kinderarzt wusste nicht, was diese Schwellung hervorgerufen haben könnte, vermutete aber einen Insektenstich mit einer lokalen allergischen Reaktion. Um böse Dinge, wie Borreliose oder Ähnliches auszuschließen, schickte er uns zum Labor zum Blut abnehmen.
Am Weg zum Labor fing die Kleine erbärmlich an zu schreien. Sie schrie was das Zeug hielt. Sie hatte die nackte Angst vor dem Blutabnehmen. Durch Nachfragen bzw. Nachbohren kam ich dann drauf, dass sie deswegen Angst hatte, weil sie glaubte, dass der Arzt im Labor nun den Bauch aufschneiden würde, ähnlich der Blinddarm-OP der Schwester. Diese Angst konnte ich ihr nehmen, da ja der Bauch nicht von der Schwellung betroffen war. Nach kurzer Zeit fing sie wieder an zu schreien. Diesmal hatte sie Angst, dass ihr der Fuss abgeschnitten wird, da der ja geschwollen ist.
Auch diesmal schaffte ich es irgendwie sie zu beruhigen. Ich konnte ihr glaubhaft versichern, dass sie wirklich nichts anderes machen, als ein bisschen Blut von ihr zu nehmen.
Das Blut der Vierjährigen – nichts für den Kinderarzt
Aber Vierjährige sind ja ganz schlau und meine noch dazu besonders kreativ und daher kam ich so einfach nicht davon: Sie begann wieder zu weinen. Ihr Problem war nun, dass das ja ihr Blut sei und die Ärztin ihr Blut gar nicht haben darf, denn was will denn die überhaupt mit dem Blut des Kindes?
Ganz langsam erklärte ich ihr, was mit dem Blut geschehen wird, und dass das eine ganz wichtige Sache ist. Ich hatte Glück, ich konnte die schlimmsten Ängste zerstreuen und wir kamen ordnungsgemäß im Labor an und dort hatte die Vierjährige dann folgendes Erlebnis – ihre Worte:
Die Zahnärztin hat mich hinein gerufen und mir einen Knieschützer da über den Arm gestülpt. Den hat sie dann zweimal aufgepumpt. Dann hat sie mir mit einer Schraube in den Arm gestochen. Gleichzeitig hat sie ein Popotuch viereckig gefaltet und darauf gelegt. Und als sie fertig war, hat sie noch ein Pflaster darüber geklebt.
Die Vierjährige war so schockiert von der Blutabnahme, dass sie sogar die angebotene Süßigkeit abgelehnt hat.