Vergils Aeneis: Epos über Aeneas – Inhalt und Hintergrund

Die Aeneis (veraltet  Äneide) ist ein Epos von Vergil. Es beschreibt die Fluchtdes Aeneas aus dem brennenden Troja und seine Irrfahrten. Letztendlich landet er in Latium und gründet hier das römische Reich.

Octavian ist Herrscher des römischen Reichs

Aeneis, das Nationalepos von Vergil, beginnt mit genau der Zeit, als Octavian an die Macht kommt. Es folgen 30 Jahre Frieden in Rom. Octavian belässt die republikanische Verfassung mit semidemokratischen Möglichkeiten und gibt sich selber wichtige Ämter.

Viele Kritiker trauern der alten Republik nach, jedoch führt die Alleinherrschaft Octavians zu einer Blüte Roms (nach 100 Jahren gibt es endlich Frieden in Rom): Pax Romana (ein mit Gewalt herbeigeführter Frieden): Spanien, Karthago, Kleinasien, Griechenland, Teile Galliens und Rom sind Teile des römischen Reichs.

Eckdaten zu Vergils Aeneis

Vergil schreibt zwischen 29 und 19 v. Chr. (bis zu seinem Tod) an diesem lateinischen Epos. Es besteht aus 10.000 Hexamter-Versen. Es erzählt die Gründungsgeschichte Roms und als End- und Kumulationspunkt wird Augustus (der spätere Octavianus) stilisiert: Er übernimmt die Macht und befriedet Rom.

Die Eckdaten zum Epos

  • 12 Gesänge (Bücher)
  • veraltet auch Äneide
  • Aneas von Vergil ist das Nationalepos der Römer
  • Es ist eine Homage an Augustus
  • Das Werk wird nicht beendet. Vergil ordnet an, dass es nach seinem Tod vernichtet werden soll. Jedoch wird es von Dichterkollegen weitergeführt und adaptiert: Einige Teile sind von anderen Dichtern (man weiß aber nicht wie viel).
  • Aeneas ist die Hauptfigur, er ist ein Verbündeter der Trojaner und Sohn von Anchises und Aphrodite (röm: Venus).
  • Vergil zeigt in seinem Nationalepos, dass Rom von den Trojanern gegründet wurde: Aeneas flieht aus dem brennenden Troja. Nach langen Irrfahrten kommt er mit seiner Frau in Rom an
  • Vergil orientiert sich an den Vorbildern, den Homerischen Epen; daher ist auch die Aeneas zweigeteilt: iliadische und odysseische Hälfte.
  • In der ersten Hälfte bilden Gesang 1 und 4 die Rahmenhandlung für die Schilderung der Irrfahrten des Aeneas. Vergil greift auch auf das Mittel der Ekphrase (Schildbeschreibung bei Homer) zurück: Fresken im Tempel der Juno. Sie zeigen Bilder aus der Vergangenheit des Aeneas. (Vgl. auch Gesang des Sängers/Odyssee)
  • Es gibt auch eine Schildbeschreibung in der Aeneas, sie hat aber eine gänzlich andere Funktion als bei Homer: siehe unten
  • Dido-Aeneas-Geschichte ist die Liebesgeschichte im Mittelalter: persönliche Anziehung gegen Sendungsbewusstsein führt zu einem Spannungsfeld. Dies wird im Mittelalter wieder aufgenommen.
  • Nach der Abfahrt aus Karthago beginnt der iliadische Teil.

Zweiteilung des Epos

  • odysseeische Hälfte: 1. – 6. Gesang: Dieser Teil ist sehr an die Odyssee von Homer angelehnt: Aeneas erlebt strukturell ähnliche Abenteuer wie Odysseus. Auch zahlreiche Motive aus der Odyssee kommen vor. Aeneas folgt seinem Weg wie einem unikursalen Labyrinth. Es gibt keine Entscheidungsmöglichkeiten: Dem Irrenden bleibt nur ein Weg. Er kommt ganz oft, sehr nah am Ziel vorbei.
  • Iliadische Hälfte (Buch 7 – 12): Dieser Teil beschäftigt sich mit den Kämpfen in Latium.

OT: Kennzeichen eines Labyrinths: Suche nach einem Ausgang/Ende: Es gibt zwei Arten von Labyrinthen in der Literatur:

  • Multirkursale Labyrinthe: viele Wege und Möglichkeiten 
  • Unikursale Labyrinthe: ein langer, verschlungener Weg, diese Art der Labyrinthe sind häufiger (vor allem im Mittelalter)

Der Konflikt um Aeneas

Aeneas ist ein trojanischer Held, sehr tapfer (ähnlich Hektor). Er wird verletzt und gesund gepflegt. Dadurch wird er noch stärker: Er trägt seinen Vater aus der brennenden Stadt Troja.

Er hat sich den Zorn der Juno (griechisch Hera) zugezogen. Daher schickt sie ihn auf die Irrfahrten. Er kommt auf seiner „Reise“ immer wieder in Konflikt mit ihr.

Grund für ihren Unmut: aufgrund des Streits unter den Göttinnen, wer die Schönste sei und Aeneas der Sohn der Aphrodite ist, hat er einfach das Nachsehen. Ein weiterer Grund: Es gibt eine Prophezeiung, dass einer von Aeneas Nachkommen Karthago zerstören werde. Karthago ist die Lieblingsstadt der Juno. Daher will sie die Zerstörung verhindern.

Inhalt von Aeneis von Vergil

Der Beginn des Epos

Auch in diesem Epos wird zu Beginn des Werks die Musen angerufen: Vergil stellt sich bewusst in die Tradition griechischer Epen.

(I 1 – 10): ….. Muse, des Grolls Ursachen verkünde mir, welches Gebotes
Kränkung die Königin reizte, daß, so viel kreisendes Unheil, ….

Aeneas strandet an der Küste Karthagos und trifft auf die phönizische Königin Dido. Er geht dort in einen Tempel der Juno und wartet dort auf Dido: Während er wartet sieht er eine Wandmalerei mit seiner eigenen Geschichte über den Fall Trojas. Während der Wartezeit folgt eine Gemäldebeschreibung. Aneas tritt in eine Art Dialog mit dem Gemälde (Vgl: Odysseus bei den Phäaken: Gesang des blinden Sängers über die Geschichte Odysseus; Odysseus ist ähnlich betroffen wie hier Aneas): Beide Helden sind mit ihrer eigenen Geschichte in Form eines Kunstwerks konfrontiert (Vgl: Schildbeschreibung in der Ilias). Bei Vergil finden sich ähnliche strukturelle Topoi wie bei Homer.

Aneas bei Dido

Venus (Aphrodite), die Mutter des Aneas, schickt Amor, den Gott der Liebe, zu Dido. Er soll sie mit einem Liebespfeil treffen, damit sie sich in Aneas verliebt. Während eines Jagdausflugs kommt es zu einer Liebesbeziehung mit einem Geschlechtsakt zwischen den beiden (diese/r fand großes Interesse im Mittelalter). Jedoch hat Aneas vom Schicksal etwas anderes vorbestimmt bekommen: Er kann nicht bleiben und muss gehen um Rom zu gründen.

Man würde erwarten, dass Aeneas mit seinem Schicksal hadert: Er ist aber pflichtbewusst (langweilig und unemotional). Er entscheidet sich weiterzuziehen (interessant für spätere Untersuchungen). Er zieht weiter und Dido legt sich auf einen Scheiterhaufen und begeht Selbstmord. Aeneas sieht sie in der Ferne verbrennen  und nimmt es „unemotional“ zur Kenntnis.

Aeneas in der Unterwelt

Bevor es zu den Kämpfen in Italien kommt, muss Aeneas noch in die Unterwelt (Vgl. Odyssee, Gilgamesch). In Cumae/Italien wird Aeneas durch Sibylle (von Cumae) in die Unterwelt begleitet. Er trifft dort seinen toten Vater. Die Toten erzählen ihm von der Größe seines zukünftigen Reichs. (OT: Dieses Topos wird in der italienischen Frührenaissance wieder aufgenommen: zB bei Dantes göttlicher Komödie: Dante geht in die Unterwelt und wird dorthin von Vergil begleitet bzw. geführt, denn dieser kennt die Unterwelt schon:  Er hatte einst Aeneas dorthin geführt.).

Das Schild des Aeneas

Auch Aeneas braucht für seine Kämpfe ein wunderbares Schild. Vulkan (der römische Schmiedegott – entspricht Hephaistos) macht ein Schild (Vgl. Achilles Schild zeigt den Makro- und Mikrokosmos der damaligen, bekannten Welt -> räumliche Darstellungen). Vergil verfolgt ein anderes Konzept: das Räumliche interessiert ihn nicht. Für ihn liegt der Schwerpunkt auf der Zeit: Vergil stellt „Geschichte“ dar: Mittels des Schildes lässt er den Leser in die Zukunft blicken (dies ist eine literarische Neuheit): von der Gründung Roms bis zur Machtergreifung durch Augustus.

Aeneas sieht die Bilder, kann sie aber nicht interpretieren. Der zeitgenössische Leser kennt die Bilder, da er mit dem Geschehen vertraut ist.

Im Mittelalter und den Epen der Neuzeit finden sich ähnliche Schildbeschreibungen, die die Abfolgen von Herrschern thematisieren.

Letzte Kämpfe um Latium

Es kommt zu den Kämpfen mit den Einwohnern Latiums bis zum Endkampf zwischen Aeneas und Turnus. Im 12. Gesang besiegt und tötet Aeneas den Turnus und das Epos ist aus.

Letzte Passage: der Zweikampf beinhaltet noch eine Bildbeschreibung: Aeneas beugt sich über Turnus. Dieser bittet um sein Leben. Aeneas will schon fast nachgeben, als er eine Brosche auf dem Gewand des Turnus sieht. Die Brosche gehörte einst einem  Jüngling (Palas), den Aeneas kannte, und der von Turnus zu Unrecht getötet wurde. Er verfällt in Rage und tötet Turnus.

Schlussbemerkung

Die Schilderung im Epos sind sehr innovativ: Homer beschäftigte sich in seinen Epen mit Raum, Vergil sich hingegen mit Zeit. Aeneas ist einer der langweiligsten Helden der Literatur: das Pflichtbewusstsein von Aeneas ist nahezu sprichwörtlich: die Pietät des Aeneas (Pietas -> pflichtbewusst).

Vergils Aeneis online

Zum Nachlesen: Vergil Aneide

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