Denken ist out - zwischen Dummheit und Klugheit

Und wieder einer – über die wachsende Dummheit

In einer Welt voller Smart Devices und dummer Entscheidungen stellt sich die Frage: War der Homo sapiens je wirklich „sapiens“? Ein satirischer Streifzug durch das schrumpfende Denkvermögen im Zeitalter von Clickbait, Coachs und Kartoffel-Challenges – über die Dummheit.

Homo sapiens, quo vadis?

Es ist ein merkwürdiges Schauspiel: Je mehr Wissen uns zur Verfügung steht, desto weniger scheinen wir davon zu nutzen. Inmitten von Glasfaser, Gigabyte und künstlicher Intelligenz scheint die natürliche Intelligenz Urlaub genommen zu haben – unbezahlten, auf unbestimmte Zeit. Einst durchquerte der Mensch Kontinente, erfand das Rad und die Relativitätstheorie. Heute googelt er „Kann man Nudeln mit Spülmittel kochen?“ und ist sich dabei keineswegs sicher.

Zwischen Fakten und Facebook

Wissen war früher ein Schatz. Heute ist es eher eine Zumutung. Wer im Jahr 2025 einen wissenschaftlichen Artikel liest, wird als verdächtig belesen eingestuft – oder schlimmer: als elitär. Stattdessen dominiert das Copy-und-Paste-Denken. Hauptsache, der TikTok-Coach sagt, dass es funktioniert. 2020 war das Jahr der Desinfektion. 2021 das der Querdenker. 2022? Da tranken Menschen Chlor. 2023 begannen sie, auf ihre Autos „nicht impfen“ zu schreiben. Wenn das Auto schon intelligenter fährt als sein Besitzer, muss man ja wenigstens irgendein Statement setzen.

Der Bildungsbürger und sein Aussterben

Der Bildungsbürger, eine aussterbende Spezies wie der Dodo oder der CD-Spieler, galt einst als Hüter des humanistischen Erbes. Heute ist er verdächtig ruhig geworden. Vielleicht, weil er den Überblick verloren hat. Oder weil er in einer Welt, in der mehr Menschen wissen, wie viele Ex-Frauen Boris Becker hat als wer Kant war, einfach keine Lobby mehr hat.

Bildung ist schwer zu monetarisieren. Meinung dagegen nicht. Wer keine Ahnung hat, hat wenigstens Emotionen – und die lassen sich wunderbar posten. Früher diskutierte man im Salon. Heute kommentiert man im Capslock.

Selbstbewusst in die Ahnungslosigkeit

Noch nie war es so einfach, sich selbst zu überschätzen. Ob Fitness, Finanzen oder Philosophie: Jeder ist jetzt Coach. Es gibt Menschen, die können mit einer einzigen Grafik erklären, warum die Welt flach ist, das Bargeld abgeschafft werden soll und Bill Gates unsere Gedanken steuert. Und sie glauben das. Felsenfest. Kritisches Denken? Wird mit Skepsis gegenüber Experten verwechselt. Ein Facebook-Post ist schließlich auch eine Quelle. Sogar eine, die man teilen kann – ganz ohne Fußnoten!

Fortschritt als Rückschritt

Manchmal scheint es, als wäre der Mensch nicht weiter-, sondern rückentwickelt. Vom denkenden Wesen zum klickenden Konsumenten. Vom philosophierenden Tier zum Algorithmus-gefütterten Reflexwesen. Man lacht nicht mehr über schlechte Witze, man liked sie. Man liest nicht mehr Bücher, sondern Bewertungen. Und wenn die künstliche Intelligenz unsere Fragen beantwortet, dann nur, weil wir vergessen haben, wie man sie stellt.

Der technische Fortschritt hat uns neue Freiheiten gebracht – und das kollektive Vergessen, wie man sie sinnvoll nutzt. Wozu sich bemühen, etwas zu verstehen, wenn eine App es für dich tun kann? Wissen wird zum Accessoire. Wer mit Begriffen wie „Quantenphysik“, „toxisch“ oder „vegan“ jonglieren kann, ohne zu wissen, was sie bedeuten, gilt als diskursfähig.

Kultur, Konsum und Kartoffel-Challenges

Die einst stolze Hochkultur ist heute eine Hashtag-Kultur. Klassiker? Nur, wenn es eine Netflix-Serie dazu gibt. Sprache? Nur, wenn der Algorithmus sie erkennt. Statt Essays liest man „Lifehacks“, statt Lyrik lieber „Listicles“. Goethes „Faust“ hätte es heute schwer gegen einen viralen Tanztrend.

Der Kulturbetrieb ringt um Relevanz, während Influencer mit drei Buzzwords mehr Reichweite erzielen als ein ganzer Feuilleton-Jahrgang. Wenn ein Follower fragt, ob Kafka nicht der Typ war, der mit Wölfen tanzte, dann weiß man: Die Krise ist keine wirtschaftliche, sondern eine kognitive.

Wachsende Dummheit? Hoffnung auf Spracherkennung?

Ist also alles verloren? Nicht unbedingt. Vielleicht muss man nur akzeptieren, dass die intellektuelle Mehrheit nie besonders groß war – sie ist jetzt nur besser messbar. Die Dummheit war schon immer da. Jetzt hat sie WLAN. Doch genau darin liegt auch ihre Achillesferse: Der nächste digitale Trend kommt bestimmt – und vielleicht bringt er das Denken wieder in Mode.

Bis dahin bleiben uns Ironie, Literatur und das tröstliche Wissen, dass es noch Menschen gibt, die Essays wie dieses lesen. Und wer weiß – vielleicht sind wir gar nicht die Letzten unserer Art. Vielleicht nur die Letzten mit vollständigen Sätzen.

 

Wo die geistige Sonne tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten.

Denkfaul mit System – Warum denken out ist

 

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