Stephen King – Revival

„Die Religion ist das theologische Gegenstück zu einer Versicherungspolice, deren Prämie wir Jahr für Jahr bezahlen, und wenn wir dann schließlich die Leistung in Anspruch nehmen müssen, für die wir so – verzeiht mir die Anspielung – , so lammfromm gelöhnt haben, entdecken wir, dass die Firma, die unser Geld genommen hat, in Wahrheit nicht existiert“ (Pastor Charles Jakobs, Revival)

Revival (Wiederbelebung) – Abrechnung zwischen Religion und Fanatismus

Jamie Morton ist 6 Jahre alt, als er das erste Mal auf Pastor Charles Jakobs trifft. Wie ein Vorbote auf Kommendes wirft seine Ankunft einen Schatten auf das unschuldige Spiel des Buben. Zunächst entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden – ganz ohne moderne Bedenken wegen einer ungesunden Einstellung des Pastors. Charles ist aber schon damals ein Blender: er bastelt elektrische Gimmicks um die Kinder zu beeindrucken und ihnen den Glauben näher zu bringen. King zeichnet eine kleine, heile Welt in Harlow, einer Ortschaft in Maine der 60er. Es ist ein Paradies ohne besondere Höhen oder Tiefen, bis das Paradies ein jähes Ende findet: Jakobs junge, hübsche Frau und der kleine Sohn kommen bei einem grausigen Verkehrsunfall ums Leben – und der Pastor verliert seinen Glauben: er hält eine furchtbare – nahezu gotteslästerliche – Predigt und ist daraufhin gezwungen, Harlow zu verlassen. Bald kehrt wieder die Normalität in die Kleinstadt und das Leben der Einwohner zurück. Aber wie im wirklichen Leben, steht auch hier die Geschichte nicht still und die Ereignisse nehmen ihren Lauf. Die Handlung wird rückblickend von Jamie in wenigen, großen Kapiteln erzählt, diese sind mit kurzen Überschriften und ein paar Schlagworten zum Inhalt des jeweiligen Kapitels versehen. Dabei kommt es während des Entstehens der Geschichte immer wieder zu Vorgriffen durch den Erzähler.

Mit Revival knüpft Stephen King an seine Frühwerke an, man denke hier an Christine, Es, Das letzte Gefecht oder In einer kleinen Stadt: Alle Erzählungen beginnen mit einer gewissen Art der Normalität, teilweise mit einer Kleinstadt-Idylle, in der jeder seinem Leben nach geht – bis langsam aber sicher die Normalität zu zerbröseln beginnt, seltsame Dinge geschehen, die zunächst aber nicht greifbar sind, so sind es in Revival Visionen von Geheilten oder plötzlich, auftretendes, seltsames Verhalten. Der Leser spürt, dass etwas in der Luft liegt, nach dem Tod der Familie des Pastors, fühlt man sich immer wieder an Friedhof der Kuscheltiere erinnert und man fragt sich, ob der Pastor möglicherweise Elektrizität nützen könnte, um sie wieder zurück ins Leben zu holen.

Revival ist eigentlich keine Horror-Geschichte, es ist ein Roman, in dem Stephen King mit Religion abrechnet: schon während der furchtbaren Rede – die mit dieser Bezeichnung in die Geschichte von Harlow eingeht – zeigt der Pastor die Sinnlosigkeit von Religion auf: gäbe sie einen Sinn, wären seine Frau und so viele andere Menschen keinen so sinnlosen Tod gestorben. Während der Pastor zunächst ganz vom Glauben abfällt, nützt er diesen dann später – wie ein Fernsehpfarrer – um seine Schäfchen davon zu überzeugen, dass er im Namen Gottes die Heilungen vornimmt. Aber gleichzeitig verachtet er alle, die er heilt, in seinen Augen sind sie einfach nur Tölpel. Unter der Tarnkappe von Religion macht er seine Experimente mit der geheimen Energie, die auch Jamie und seinem Bruder zu Gute gekommen sind.

Wer aber mit Revival ein bis ins Extreme getriebenen Horror erwartet, wird enttäuscht, der Roman plätschert gemütlich dahin, es gibt Andeutungen auf zu erwartendes Entsetzen, das aber dennoch nicht ausgeschlachtet wird. Auch wenn in der ganzen Geschichte der Tod im Zentrum der Geschehnisse steht: es gibt Unfälle, Schicksalsschläge, schwere Krankheiten, Selbstmorde und Morde, auch das Alter schlägt erbarmungslos zu. Und immer wieder gestattet King dem Leser einen kurzen Blick in den Abgrund, nur damit er die Angst vor dem Tod nicht vergisst und sich damit auseinandersetzt, was wohl danach sein wird.

Stephen King: Revival

Revival - Stephen KingVerlag Heyne,
München 2015
512 Seiten

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