Kalter, grausliger Oktober – Zwischen Graupel und Grant
Jedes Jahr dasselbe Drama: Der Oktober kommt – und mit ihm der Regen, Nebel und die große Tiroler Jammerwelle. Ein satirischer Wetterbericht der besonderen Art über nasse Wanderhosen, beschlagene Brillen und die ewige Sehnsucht nach dem Altweibersommer.
Ein Monat wie ein grauer Pullover
Der Tiroler Oktober ist ein Meister der Enttäuschung. Kaum sind die Sommerwanderungen verdaut und der Kaiserschmarrn aus der Almhütte abtrainiert, schleicht sich das Wetter durch die Berge wie ein schlecht gelaunter Hausgeist. Regen von links, Wind von rechts, Nebel von überall – und schon beginnt das große Jammern. „Heuer is aber a grauslig!“, tönt es auf jedem Dorfplatz. Als hätte man je im Oktober Bikinitemperaturen erwarten dürfen.
Wetterfrust als Volkssport
In Tirol gilt Jammern über das Wetter nicht als Schwäche, sondern als gesellschaftlich verankerter Volkssport. Man trifft sich nicht nur zum Frühschoppen, sondern auch zum kollektiven Nörgeln: „Friaher war’s no anders, da hot der Oktober no Sonne g’habt!“ Natürlich hat er das. Genauso wie man früher mit Haferbrei 30 Kilometer zur Schule stapfte – bergauf, beide Richtungen.
Das goldene Oktober-Märchen
Der sogenannte „Goldene Oktober“ ist die große Lüge der Wetterredaktion. Er taucht in Hochglanzmagazinen auf, wo Joggerinnen in Sonnenuntergangslicht durch raschelndes Laub hüpfen. In Tirol hingegen? Da raschelt wenig. Der einzige goldene Schimmer stammt vom Kunstlicht im Supermarktparkplatz. Die Realität: Matschige Trails, grantige Hundehalter und der schiefe Blick auf den Wetterbericht, der wieder einmal Schneeregen ab Dienstag verspricht.
Outdoorleidenschaft trifft auf Realität
Outdoor-Menschen sind leidensfähig. Aber auch sie geraten im Oktober an ihre Grenzen. Was bringt das teuerste Hightech-Gore-Tex, wenn die Socken trotzdem nass sind und der Ausblick nur bis zur eigenen Nasenspitze reicht? Wanderlust verwandelt sich in Wadelkrampf, der Hüttenbesuch wird zur Rettungsaktion für durchgefrorene Seelen. Und während man frierend am Jausenbrettl knabbert, fragt man sich: „Warum mach ich das eigentlich?“
Von Scheibenwischern und Selbstmitleid
Der Tiroler Oktober hat ein Händchen dafür, jedes Abenteuer in eine Charakterprüfung zu verwandeln. Der geplante Klettersteig? Rutschgefahr. Die letzte Mountainbike-Tour? Bremsen versagen im Schlamm. Und das Trailrunning? Ein Duell mit Pfützen, das meist mit einem matschigen Vollbad endet. Der Mensch jammert, der Hund zittert – und der Wetterbericht grinst.
Die Kunst des Durchhaltens
Und doch – so paradox es klingt – gehört der Oktober zum Outdoorjahr wie das Hupferl zur Brettljause. Wer jetzt durchhält, hat sich den Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt redlich verdient. Der Herbst in Tirol lehrt uns Geduld, Zwiebelprinzip und die Bedeutung des Ausdrucks „Lieber g’scheit g’wandert als daheim gejammert“. Denn eines ist klar: Im Warmen zu motzen ist keine Kunst. Aber im Nebel mit Humor weiterzumarschieren, das ist wahre Bergseele.
Oktober – Mehr Schmäh, weniger Schmuddel
Vielleicht wäre es an der Zeit, das Wetter nicht als Feind, sondern als Gesprächspartner zu sehen. Einer, der zwar unberechenbar ist, aber für reichlich Anekdoten sorgt. Die matschige Hose, die rutschige Wurzel, das verregnete Gipfelfoto – all das sind Kapitel eines echten Tiroler Outdoorlebens. Der Oktober ist kein Monat für Schönwettertouristen, sondern für Hartgesottene mit Humor.
Also raus mit euch. Zieht die Regenjacke straff, setzt ein Lächeln auf und tretet dem nächsten Schauer mit offenen Armen entgegen. Schließlich ist das Wetter nur so schlecht, wie unsere Laune es zulässt. Und irgendwo hinter dem Nebel wartet bestimmt schon der November. Der ist noch schlimmer – aber darüber jammern wir dann im nächsten Heft.
Aus dem Tagebuch
Guten Morgen, verstecktes, geheimes, müßiges Tagebuch! (Mörderwald, Eugenio Fuentes)
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