Herodot von Halikarnas – der erste Geschichtsschreiber

Herodot von Halikarnas lebte von 490/480 v. Chr. – 424 v. Chr. Er gilt als der erste wichtige Geschichtsschreiber. Zu seinen wichtigsten Historien gelten die Texte über die Perserkriege.

Herodot von Halikarnas

Herodot von Halikarnas war ein Geschichtsschreiber. Unter anderem schrieb er über die Perserkriege. Von Cicero wird Herodot als „pater historiae“ (Vater der Geschichte) bezeichnet, aber gleichzeitig auch als Erzähler „ innumerabiles fabulae“ (zahlreicher Geschichten). Gleichzeitig war er auch so etwas wie ein Kulturwissenschaftler. Er interessierte sich für kulturelle Unterschiede.

Sein einziges erhaltenes Werk: die neun Bücher umfassende Historien

Als Kind hatte Herodot noch die Perserkriege miterlebt. Er schreibt nun darüber in Form eines Geschichtswerkes aus der Sicht der Perser. Als eine Art Raster verwendet er dabei die Perserkönige anhand derer er die Ereignisse auflistet: Die Perser sind der Ausgangspunkt der Erzählung.

Herodot und die Historien

  • Grundstruktur: Anhand der Abfolge der achämenidischen (=Altperserreich) Großkönige – Kyros, Kambyses, Dareios, Xerxes – wird die „Geschichte“ erzählt.
  • historische Königsfolge der „Feinde“ oder Barbaren, wie Herodot die Perser bezeichnet, steht im Vordergrund, nicht die griechischen Persönlichkeiten oder Begebenheiten. Diese Struktur wird durch Exkurse unterbrochen.
  • Einer dieser großen Unterbrechungen ist das Buch 2: Ägypten-Logos: Dieses setzt sich mit Ägypten auseinander und berichtet sehr detailliert über ägyptische Geschichte, Gebräuche und Kultur. Es ist zwar ein großer Bruch in der Struktur des Gesamtwerkes, folgt aber der inneren Logik Herodots: Es dient als Vorbereitung auf die Darstellung der Eroberung Ägyptens durch Kambyses (die dann in Buch drei erfolgt).

Überblick über die Bücher

  • Buch 1: beginnt mit der Vorgeschichte: dem Aufstieg der Perser zur Großmacht, Lydien und Krösus (König der Lyder)
  • Buch 2: Ägypten-Logos.
  • Es folgt der ionische Aufstand mit den Feldzügen des Dareios und Xerxes.
  • Das Buch endet mit der Vernichtung des persischen Reichs.

Orbis Herodoti: das Weltbild des Herodot: so wie damals die bekannte Welt bis ins Mittelalter ausgesehen hat:

World of Herodot
Longman & Co.. c. 1860, signed by S. Hall, Del. et Sculp.

Die damalige Welt wird in drei große Bereiche geteilt: Teile von Europa, Asien und Lybien.

Zum Werk des Herodot

Eingangssatz:

Was Herodot von Thurioi [Halikarnassus] erforscht, das hat er hier dargelegt, auf dass weder das, was durch Menschen geschehen, noch große und bewundernswürdige Taten, teils von Griechen, teils von Barbaren vollbracht, ruhmlos bleiben: Das alles hat er dargelegt, so wie auch, aus welcher Ursache sie einander bekriegt haben

  • Helikarnassus: heutiges Bodrum/Türkei
  • Herodot schreibt in Griechisch.
  • Griechen und Perser stehen sich hier gegenüber.

Gründe für das Schreiben der Historien

Herodot will die Taten für das kulturelle Gedächtnis verewigen (ähnlich wie Homer und andere Epiker: Sie wollen dafür sorgen, dass Ereignisse nicht vergessen werden).

Herodot jedoch will auch die Ursachen für den Krieg festhalten (und das ist neu). Genauso neu ist es auch, dass er sich für die andere Seite interessiert. Auch wenn er die Perser als Barbaren bezeichnet, sieht er ihre Taten als die den Griechen ebenbürtig.

Anders wie bei Homer spielen die Götter eine nicht so vordergründige Rolle (auch wenn sie dennoch wichtig sind).

Die Phönizier in der griechischen Welt

Ursache für den Krieg sind laut Herodot folgende: Die Phönizier sind für den Streit zwischen den Griechen und Persern verantwortlich:

Io, die Tochter des Königs Inachos (Grieche), wird von den Phöniziern geraubt (wie bei Homer ist der Grund für den Krieg ein Frauenraub).

(1,2) Dieses wird als grausames Volk dargestellt, das bekannt war für seine besonderen Handelsfähigkeiten: sie werden ähnlich wie die Juden im Mittelalter bzw. in der Neuzeit beschrieben: wohlhabend, aber auch hintertückisch und gemein, auch menschenverachtend.

Jedoch lenkt Herodot ein: Er habe erkannt, dass bei unterschiedlichen Quellen, auch der Sachverhalt anders dargestellt wird. Er differenziert zwischen griechischen (Hellenen) und persischen Quellen. In seinen Historien geht er auch darauf ein, wie die Phönizier die Ereignisse gesehen haben.

(1,3) Herodot geht auf Alexander (=Paris) ein. Er erzählt vom Raub der Helena als Kriegsursache. (Paris wird auch in der Ilias wechselweise auch als Alexander bezeichnet, nur in der Übersetzung wird ein Name verwendet. Das ist ähnlich wie mit Atride und Pelide für Agamemnon und Achilles).

(1,4,3) Daraufhin beschreibt er in Kurzfassung den trojanischen Krieg. Dieser Krieg sei entscheidend für die Spaltung Asiens und Europas. Dieser Grundkonflikt existiert auch in der Vorstellung der Perser (zumindest laut Herodot).

(1,5,3) Herodot betrachtet beide Varianten der Geschichte, bzw. gibt er mehrere Quellen an. Wenn diese Quellen miteinander in ihren Aussagen konkurrieren, bezieht Herodot aber nicht weiter Stellung. Dies sind erste Schritte zu einem historischen Wahrheitsbewusstsein.

Er beschreibt auch kleine Details, was wichtig für ein Gefühl der Objektivität ist.

Es kommt dann zur einer Beschreibung der Machtergreifung der Perser unter Krösus.

Götter, Orakel, Träume

Auch die Götter kommen vor. Bei Homer sind die Götter von Anfang an personifiziert und wichtig. Bei Herodot sind sie nur durch Träume und Orakel „sichtbar“.

Sehr bekannte Stelle: das Orakel von Delphi. Krösus (König von Lydien/Kleinasien) überlegt, ob er eine Auseinandersetzung mit den Persern beginnen solle. Daraufhin befragt er das Orakel. Das Orakel antwortet ihm, wenn Krösus den Halys (K?z?l?rmak, Fluss in der Türkei) überschreiten werde, wird er damit ein großes Reich zerstören. Krösus geht davon aus, dass es sich dabei um das Perserreich handeln müsse.

Träume und Orakel sind früheste Beispiele für textliche Exogenese (Auslegung). Derartige Stellen kommen auch im Gilgamesch-Epos vor: Interpretation von Träumen. Diese frühen Interpretationen sind eine Art Grundstein für interpretatorische Tätigkeit.

Herodot und die Perser

Später im Werk wird auch die Expansion des Perserreichs beschrieben: zB nach Ägypten. 

Herodot beschreibt die Perser und ihre Sitten über viele Seiten: Die Perser sind sehr offen für andere kulturelle Einflüsse, beispielsweise in der Mode: Die Perser verwenden Kleidung der Medäer, Kriegsgewand von den Ägyptern, die Genüsse von den Griechen (Knabenliebe, Homoerotik war bei den Griechen sehr wichtig und wurde von den Persern übernommen).

Herodot spricht von der Kindererziehung bei den Persern: Die Buben mussten von 5 bis 20 Jahren lernen: reiten, Bogen schießen und die Wahrhaftigkeit (nicht lügen). Sie leben bei der Mutter, der Vater sieht sie nicht, damit der Vater nicht traurig ist, falls ein Kind stirbt. => Dies ist „Geschichtsutopie“: utopisches Denken über ein Volk, das man nur durch Kriegshandlungen kennt (Anderes Beispiel: die Erziehung des Kyros).

Ähnlich haben die Griechen die Spartaner gesehen.

Obwohl Herodot die Perser als Barbaren sieht, hat er vor ihnen eine große Achtung: in seinen Augen haben die Perser hohe moralische und ethische Ansprüche.

Herodot und die Ägypter

Die Sitten der Ägypter sind für Herodot etwas „Seltsames“ und „Wunderliches“. Sie haben große Bauwerke. Alles inkl. des Himmels ist anders. Es wirkt alles wie auf den Kopf gestellt (im Vergleich mit anderen Völkern): Die Frauen gehen auf den Markt und treiben Handel, die Männer sind daheim und weben. Die Männer tragen die Lasten am Kopf und die Frauen auf den Schultern. Die Töchter kümmern sich um die alten Eltern. Frauen urinieren im Stehen, Männer im Sitzen. Die Notdurft wird in den Häusern erledigt, das Essen findet im Freien statt. Das Hässliche muss im Verborgenen stattfinden. Aber Achtung: Diese Beschreibungen müssen nicht der Realität entsprechen!

Herodot war daher nicht nur ein Historiker sondern auch ein Ethnograph. Man weiß nicht, ob Herodot überhaupt jemals in Ägypten (oder anderen von ihm beschriebenen Gegenden war). Auch wenn er manche Orte sehr genau beschreibt, ist unwahrscheinlich, dass er tatsächlich dort war. Jedoch lässt er dies den Leser glauben.

Bekannte Geschichten in den Historien

Einige sehr bekannte Geschichten finden sich in den Historien:

  • zweiter Orakelspruch von Salamis: Athen soll sich hinter Hölzernen Mauern verschanzen. Dies führt zu zwei Auslegungen: einerseits könnte es bedeuten, dass sich die Athener hinter den Stadtmauern verstecken soll, andererseits könnte es auch bedeuten, dass sie Schiffe bauen sollen.
  • Ring des Polykrates

Einige der Erzählungen aus den Historien des Herodot sind in das kulturelle Gedächtnis eingegangen.

 

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