Emily Austin - Everyone in This Room Will Someday Be Dead / Buchcover

Emily Austin – Everyone in This Room Will Someday Be Dead

Emily Austins Roman „Everyone in This Room Will Someday Be Dead“ ist rabenschwarz, scharfsinnig und zutiefst menschlich. Mit makabrem Humor und viel Feingefühl erzählt die Autorin von einer jungen Frau, die verzweifelt nach Halt sucht – und dabei ausgerechnet in einer Kirche landet.

Emily Austin – Everyone in This Room Will Someday Be Dead

Was passiert, wenn die Gedanken rund um den Tod so übermächtig werden, dass sie alles andere überlagert – und dabei in etwas Ungeheuerliches, Komisches, Beunruhigend-Zärtliches verwandelt wird? Emily Austins Debütroman Everyone in This Room Will Someday Be Dead (2021) ist ein leiser, zugleich erschütternder und bitter komischer Monolog über Depression, Angst, und das Ringen um einen Platz im Leben – getragen von einer Erzählerin, deren Blick auf die Welt so tief melancholisch wie überraschend tröstlich ist.

„Gilda’s overwhelming questions about the nature of existence don’t go away; transformed by wonder, they turn into love instead.“ (New York Times Book Review)

Gilda ist Ende zwanzig und leidet an einem so überwältigenden Angstgefühl, dass selbst ein Zahnarztbesuch sie existenziell aus der Bahn wirft. Ihre Tage bestehen aus obsessiven Gedankenschleifen, Notaufnahmenbesuchen und panischer Google-Recherche zu tödlichen Krankheiten. Dass sie irgendwann in einer katholischen Kirche landet, als neue Empfangsdame, ist ebenso absurd wie sinnstiftend – denn Gilda ist nicht nur Atheistin, sondern auch lesbisch, vegetarisch, und zutiefst fehl am Platz im engen, stillen Raum der Gemeinde.

Gilda landet in der Kirche

Doch Emily Austin erzählt keine Karikatur. Gildas Job in der Kirche – eigentlich nur angetreten, weil sie auf der Suche nach einem Therapeuten versehentlich einem Vorstellungsgespräch beigewohnt hat – entwickelt sich zu einem seltsam tröstlichen Ritual. Zwischen den Gemeindemitgliedern, die sie kaum versteht, und den alten Überbleibseln der verstorbenen Vorgängerin Grace, deren Leben sie mehr und mehr zu rekonstruieren beginnt, entsteht ein zartes Gewebe aus zwischenmenschlicher Irritation und vorsichtiger Nähe.

Was Austins Roman so bemerkenswert macht, ist seine Tonlage. Gilda erzählt mit trockener Lakonie, jeder Satz durchdrungen von den Gedanken rund um den Tod – und zugleich getragen von einem sanften, beinahe naiven Humor. Das Buch steht mit einem Bein in der tiefsten existenziellen Verzweiflung und mit dem anderen in einem kabarettreifen Alltagsabsurdismus. Es ist diese Balance zwischen Schwere und Leichtigkeit, zwischen Panik und Poesie, die Austins Prosa so eindrücklich macht.

Innerer Monolog von einem Punkt zum Nächsten

Stilistisch bleibt Austin dabei bewusst schlicht. Ihre Sprache ist präzise, schnörkellos, beinahe protokollarisch – und doch ist jeder Absatz mit psychologischer Tiefe aufgeladen. Die Form des inneren Monologs, des Gedankenstroms, lässt uns ganz nah an Gilda heran – so nah, dass wir ihre Ängste nicht nur verstehen, sondern in gewisser Weise mit ihr durchleben. Die Komik entsteht oft aus der Diskrepanz zwischen dem rationalen Wissen um die Absurdität der Angst und ihrer realen Übermacht. Wenn Gilda etwa überlegt, ob der Fleck an ihrer Hand Hautkrebs oder einfach Dreck ist, dann lacht man – aber mit einem Kloß im Hals.

Aktuelles Thema bei Emily Austin

Auch gesellschaftlich ist Austins Roman hochaktuell. Die Darstellung von queerer Identität, mentaler Gesundheit und spiritueller Entfremdung geschieht ohne moralisierende Agenda, sondern als selbstverständlicher Teil der Erzählung. Gilda ist keine „Repräsentantin“, sie ist einfach sie selbst – ein Mensch, der sich mit dem unerträglichen Gewicht des Lebens abmüht und dabei gelegentlich zärtliche, paradoxe Lichtblicke entdeckt.

Am Ende steht keine Katharsis, kein endgültiges Verstehen. Aber es gibt eine Ahnung davon, dass auch im Zerbrochenen ein Funke Verbindung möglich ist. 

Emily Austin – zur Autorin

Emily Austin ist eine kanadische Schriftstellerin. Sie hat Englische Literatur, Religionswissenschaften sowie Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der University of Western Ontario studiert. Ihr Debütroman Everyone in This Room Will Someday Be Dead war Finalistin auf der Shortlist für den Amazon.ca First Novel Award 2022. Im Jahr 2024 veröffentlichte sie ihren zweiten Roman Interesting Facts About Space sowie die Gedichtsammlung Gay Girl Prayers. Ihr dritter Roman We Could Be Rats erschien im Januar 2025. Homepage von Emily Austin

 

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