Die Tragödie des Windhunds, der kein Schutzhund ist
Elegant, sensibel, schnell – der Windhund ist das Supermodel unter den Hunderassen. Doch wehe dem, der glaubt, sein sehniger Vierbeiner eigne sich zum Schutzhund. Warum Windhunde lieber fliehen als bellen und was das über unsere Erwartungshaltung aussagt.
Warum ein Windhund kein Schutzhund ist – und das auch gut so ist
Wenn man einem Windhund begegnet, könnte man glauben, man sei versehentlich in eine Haute-Couture-Modenschau für Hunde geraten. Diese grazilen, langen Beine. Diese anmutige Haltung. Und natürlich dieser Blick: eine Mischung aus aristokratischer Langeweile und zarter Skepsis. Was man bei einem Windhund jedoch vergeblich sucht: den Funken Aggression, der einen guten Schutzhund ausmacht.
Windhunde, ganz gleich ob Greyhound, Whippet oder Galgo Español, sind Laufmaschinen, keine Türsteher. Ihre Ahnen jagten Hasen, keine Einbrecher. Sie wurden gezüchtet, um auf Sicht Beute zu verfolgen, nicht um bellend vor Gartenzäunen zu stehen oder sich mutig zwischen Herrchen und Bedrohung zu werfen. Wer also erwartet, dass ein Windhund mit grimmigem Knurren das Hab und Gut verteidigt, sollte vielleicht eher über einen Dobermann nachdenken.
Seelentröster – aber kein Schutzhund
Natürlich – rein technisch gesehen – könnte ein Windhund bellen. Manchmal tut er das sogar. Meistens dann, wenn der Napf zu spät gefüllt wird oder der Sofaplatz besetzt ist. Doch selbst dann klingt es mehr nach höflicher Kritik als nach entschlossener Abwehrhaltung.
Ein besonders köstliches Bild bietet sich, wenn Windhundhalter berichten, dass ihr Liebling sich bei verdächtigen Geräuschen entweder unter die Decke verkriecht oder schnurstracks das Weite sucht. Die evolutionäre Strategie des Windhundes ist nicht „Angriff ist die beste Verteidigung“, sondern „Flucht ist der sichere Sieg“.
Diese sensible Fluchtmentalität bringt viele Vorteile mit sich – zumindest, wenn man keinen Wachhund, sondern einen Seelentröster sucht. Windhunde sind anhänglich, leise, freundlich zu Mensch und Tier und haben eine ausgeprägte Fähigkeit zur passiven Zen-Meditation auf dem Sofa. Und: Sie haben ein feines Gespür für Stimmungen. Eine schlechte Aura bemerken sie sofort – sie verlassen dann einfach den Raum.
Man macht aus einem Jäger keinen Schutzhund – Hunde sind keine Alleskönner
Warum also hält sich das Gerücht, man könne aus einem Windhund einen Schutzhund machen? Vermutlich liegt es am Wunsch vieler Menschen, dass ihr Tier ein „Alleskönner“ ist – gleichzeitig Seelentröster, Joggingpartner, Kindergärtner und eben auch Bodyguard. Doch Windhunde zeigen auf charmante Weise, dass Spezialisierung etwas Wundervolles ist. Sie laufen schnell. Sie ruhen ausdauernd. Sie lieben ihre Menschen. Das reicht.
Die Geschichte zeigt: Windhunde standen nie an der Front. Sie thronten lieber an der Seite der Adligen, lagen in samtbezogenen Körben und ließen sich füttern. Ein Schutzhund? Pardon, aber das ist einfach nicht standesgemäß.
Wer einen stillen, sensiblen und bildschönen Begleiter sucht, der eher auf Samtpfoten durch die Welt tänzelt als auf den Putz haut, liegt mit einem Windhund goldrichtig. Wer hingegen einen wachsamen, durchsetzungsfähigen Schutzpartner sucht, sollte sich besser bei den Gebrauchshunderassen umsehen – der Windhund wird es danken. Wahrscheinlich mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung. Und einem Sprint Richtung Kuscheldecke.
Aus dem Tagebuch – Der Windhund ist kein Schutzhund
Vor ca. einem Jahr haben wir uns einen jungen Windhund zugelegt. Mit eine Idee war dabei, dass er mich am Abend beim Laufen begleiten kann.
Es ist zwar klar, dass ein Windhund kein Schutzhund ist, aber nachdem ein Galgo espagnol ca. 90 cm und höher werden sollte, dachten wir, dass er zumindest einschüchternd wirken wird. Dachten wir zumindest – Unsere kleine Mistkröte ist knappe 50 cm hoch geworden – also nicht sehr furchteinflößend. Das wäre ja kein Problem, ein Pitbull oder Am-Staff ist ja auch nicht größer, vielleicht ein bisserl breiter aber nicht größerer.
Nur, macht unser Laufhund fehlende Größe durch Feigheit wett. Was nicht wirklich lustig ist. Heute war ich seit langem wieder einmal mit ihm laufen. Es war schon finster und …… Halloween.
Angst vor Nichts oder Gefahrenquellen überall
Das Laufen war super. Noch nicht zu kalt, ich war fast allein, genauso, wie ich es gerne mag. Dann kam uns ein großer, breiter Mann, mit einer Tasche entgegen: Ich musste stehen bleiben, mein „Schutzhund“ hat sich fluchtbereit hingestellt und ist keinen Schritt mehr weiter gegangen, bis der Mann vorbei war. Verständlich, er hätte ihn ja mit der Tasche erschlagen können.
Dann stand vor einem Geschäft ein Alternativer mit Rucksack und gestreiftem Fahrrad: Ich musste stehen bleiben, mein Schutzhund hat sich fluchtbereit hingestellt und ist keinen Schritt mehr weiter gegangen, bis der Alternative vorbei war. Verständlich, das gestreifte Fahrrad hätte ihn anfallen können.
Dann stand vor einer Haustüre ein junges Mädchen mit einem Motorradhelm in der Hand: Ich musste stehen bleiben, mein Schutzhund hat sich fluchtbereit hingestellt und ist keinen Schritt mehr weiter gegangen, bis das Mädchen mit dem Helm vorbei war. Verständlich, sie hätte ihn ja mit dem Helm töten können.
Dann stand an einer Ecke eine alte Dame im Rollstuhl: Ich musste stehen bleiben, mein Schutzhund hat sich fluchtbereit hingestellt und ist keinen Schritt mehr weiter gegangen, bis die Dame im Rollstuhl vorbei war. Verständlich, sie hätte ihn ja überrollen können.
Dann stand an einer Ecke eine Gruppe Halloween-Monster. Das größte dieser Kinder war knapp 1,20 Meter. Ich musste stehen bleiben, mein Schutzhund hat sich fluchtbereit hingestellt und ist keinen Schritt mehr weiter gegangen, bis die Monster vorbei waren. Verständlich, sie hätten ihn ja fressen können.
Es ist gerade ein Glück, dass ich meinen Hund beschützen kann.
Abendliches Laufen mit dem Windhund